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Boner, Ulrich; Pannier, Karl [Editor]
Der Edelstein — Leipzig: Reclam, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.52926#0025
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Der Chelftein. 2

„Was ſoll der Widerſtreit von dir,

Daß du bedrohſt mein Leben hier?

Soll's mir von dir nicht beſſer gehn,

Als mir vom Vater dein geſchehn?

Vor ſieben Jahren es geſchah,

Und dich an ſeiner Seit' ich ſah.“

Voll Einfalt ſprach das Schaf zur Friſt:

„Dein Wort iſt voller Hinterliſt.

In meinen Jahren irrft du dich,

Nicht ſieben Monat alt bin ich;

Dazu ſprichſt du, ich drohe dir:

Das iſt nicht wahr, dır droheſt mir.“

Sogleich der Wolf zum Schaf begann:

„Wie kannſt du deinen Mund, ſag' an,

Aufthun und reden wider mich

Mit gleicher Hochfahrt? Das will ich

An dir nun rächen; fürwahr es eilt!“

Da fraß das Schaf er unverweilt.
Dies Beiſpiel hier geht jene an,

Die voller Hochfahrt manchen Mann

Verderben in ihrem Übermut.

Wenn einer ſchuldvoll Schaden thut

Dem andern, der unſchuldig iſt,

Das räche Gott! Solch arge Liſt

So mancher Herr noch heute hat

In Dorf und Burg, in Land und Stadt.

Wer ohne Recht will Leib und Gut

Verderben voller Frevelmut

Den Armen, die unſchuldig ſind,

Daß Waiſen werden ihre Kind',

Der ſoll verflucht ſein immerdar,

Daß Gottes Kraft werd offenbar.
 
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