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Boner, Ulrich; Pannier, Karl [Editor]
Der Edelstein — Leipzig: Reclam, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.52926#0037
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Der Edelſtein. 33

Mich dünkt, es kann nicht anders ſein,
Ich muß nun leider ſterben.

Welch Leid, wenn ich verderben

Auch ſollte an der Seele mein!
Vernimm drum meine Herzenspein
Und bitt' die Götter, daß ſie ſich
Erbarmen wollen über mich.“

Die Mutter ſprach: „Mein liebes Kind,
Die Götter ſehr erzürnet ſind;
Verloren biſt du, wie mir bangt,

Da du der Götter Zorn erlangt.

Die Götter werden nie vergeſſen

Die Strafe, die ſie zugemeſſen

Dir für die Frevelthaten dein.

Deine Reu' erwächſt aus Angſt und Pein.
Zu ſpät iſt deine Reu' gekommen,
Jetzt wird ſie dir nur wenig frommen:
Nachreue ſelten nützen kann.

Mich dünkt, gar thöricht ſei der Mann,
Der ſeinen Stall erſt da verſchloß,
Als ihm geſtohlen war das Roß.

Die Reue keinen Nutzen bringt,

Die aus der Todesfurcht entſpringt.
Ein Wolf war krank, als er geneſen,
War er der Wolf, der er gemefen. 1)
Wenn du nicht Gott in Zorn verſetzt
Und die Gebote ſein verletzt,
Wenn du nicht hätteſt Weib und Mann
Betrübt, nicht hätt'ſt von Jugend an
In Sünd' und Frevel nur gelebt,
Vielmehr der Tugend nachgeſtrebt —
Erhören würde Gott dein Flehn

Und deine Seele könnt beſtehn.“

Sprichwort
 
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