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Borchardt, Ludwig
Die aegyptische Pflanzensäule: ein Kapitel zur Geschichte des Pflanzenornaments — Berlin, 1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.43137#0031
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Zeit Beispiele nachweisbar, die in nichts von den alten abweichen. Häufiger
findet sich jedoch eine wohl unter der 18. Dynastie ausgebildete Variante mit je
einem Anhängsel an jedem der

Abbildung 32. Abbildung 33.



Lilie in blauer
Fayence;
aus den Ornamen-
ten von Teil el
Jehüdeli; n. R.
Dyn. 19; Zeit
Ramses’ III; nach
Berl. Mus. 7359
(Ausführl. Ver-
zeichn. S. 159).

Lilie. Thonform aus
Tell-Amarna;
n. R. Dyn. 18; Zeit
Amenophis’IV. nach
Petrie, Tell-Amarna
XVIII, 365.

Abbildung 34.

beiden äusseren Blätter (Abb. 33).
Diese letztgenannte Form
erfährt dann, vielleicht — wie be-
reits Sybel ') annahm, unter asiati-
schem Einfluss — weitere Ausge-
staltung ; der mittlere Kolben oder
auch die Anhängsel vervielfachen
sich, oder eine Art Palmette oder
mehrere Voluten entwickeln sich
aus dem Kelche, und Aehnliches.
Diese manchmal recht abenteuer-
lichen Gestaltungen, die für die
Ornamentik des neuen Reiches von grosser Bedeutung sind,
interessiren uns für die Säulenfrage jedoch nicht, da derartige
Gebilde erst an ganz späten Säulen auftreten; wir können uns
vielmehr mit der Kenntniss der einfachen Lilie und der „Lilie
mit Anhängseln“ für unseren Zweck begnügen.
Die charakteristische Form derselben ist schnell be-
schrieben: aus einem dreiblättrigen, meist gelben Hüllkelch, der
auf grünem oder blauem Stengel sitzt, erwachsen zwei schlanke,
oben nach aussen überfallende Blätter von blauer, manchmal
auch grüner Farbe; zwischen diesen äusseren Blättern erhebt
sich ein roter, oben abgerundeter Kolben. Die gleichfalls kolben-
förmigen Anhängsel sind auch stets rot. Die Pflanze hat also
mit keiner der sonst bekannten ägyptischen Ornamentpflanzen
irgendwelche Aehnlichkeit. Dass sie wirklich ein Gebilde für
sich ist und nicht etwa nur eine Ableitung aus einer anderen
Pflanze, zeigen schlagend die Kapitelle mancher „Bouquet-
säulen“, bei denen die Künstler absichtlich die verschiedenen
ihnen geläufigen Pflanzen vereinigten, um den Eindruck einer
möglichst reichen Prunkarchitektur hervorzubringen. So z. B.
die schon öfters angeführte im Grabe des Sen-nudem abgebildete
Säule (Abb. 34). Hier hat der Künstler zuerst Nymphaea Lotus,
dann Nymphaea caerulea, dann unsere Lilie und endlich Cy-
perus Papyrus dargestellt und somit fast seinen ganzen Formen-
schatz an Pflanzenkapitellen erschöpft.
Eine besondere Pflanze ist also die in Rede stehende
jedenfalls; warum haben wir ihr aber den Namen „Lilie“ gegeben? Weil sie am


Abgebildete Bouquetsäule
aus dem Grabe des Sen-
nudem ; n. R.; Dynastie 20;
nach Berl. Mus. Ph. 664.

]) Kritik des ägyptischen Ornaments, S. 25.
 
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