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Borchardt, Ludwig
Die aegyptische Pflanzensäule: ein Kapitel zur Geschichte des Pflanzenornaments — Berlin, 1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.43137#0067
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55

Die Ausschmückung der Räume des Palastes von Teil el Amarna ist also ein
vollgültiger Beweis für die oben angeführte Theorie, dass die Aegypter die Innen-
räume ihrer Tempel und Häuser ,,ä l’image du monde“ aufgefasst und demgemäss
decorirt haben, und dass nur eine nothwendige Folge dieser Auffassungsweise das
Vorkommen von Pflanzensäulen ist. Diese Säulen sind also keineswegs nur wie klas-
sische oder mittelalterliche Säulen mit Pflanzenkapitellen als .Säulen mit ornamen-
talen, pflanzlichen Zuthaten anzusehen, sondern stellen in ihrer ganzen Grösse von
der Basis bis zum Kapitell nur eine Pflanze oder ein Pflanzeibündel dar.
Nebenbei mag erwähnt werden, dass die Fiction, der Boden sei die Erde
und die Decke der Himmel, noch einer anderen Gattung von Säulen das Leben ge-
geben hat, die ganz diametral den Pflanzensäulen gegenüberstehen. Während näm-
lich letztere, wie wir noch
weiter auszuführen haben
werden, frei in den Himmel,
d. h. gegen die Decke em-
porstreben und den Gedan-
ken eines Tragens gar nicht
ausdrücken sollen, so be-
deuten jene direct Stützen
des Himmels, und ihre For-
men sind verschiedenen my-
thologischen Symbolen
nachgebildet, von denen es
wohl in der religiösen Litte-
ratur der Aegypter hiess,
dass sie die Himmelsdecke
tragen. Zu diesen „Symbol-
säulen“ rechne ich die Si-
strumsäule und die Dedsäule. Die erste, früher unter dem Namen „Säule mit
Hathorkapitell“ allgemein bekannt, stellt ein vollständiges Sistrum |! dar, wie ein Ver-
gleich mit den in den Museen in natura oder in Fayencenachbildungen aufbewahrten
Exemplaren dieser Klappern sogleich darthut. Der Säulenschaft (s. Abb. 85) ist der
Stiel der Klapper, Kapitell und Abakus bildet das auf Hathormasken sitzende, hohl
zu denkende Kapellchen mit den seitlich anschlagenden Metallfedern. Diese Säulen-
art kommt, wie schon Lepsius in seinen Tagebüchern vermuthet,. anscheinend nur in
Tempeln weiblicher Gottheiten1) vor und wohl meist auch da nur in solchen, deren
Göttinnen mit der Hathor irgendwie confundirt werden können.

Abbildung 84.


Der „tiefe Saal“ aus dem Palaste von Teil el Amarna;
n. R.; 18. Dynastie. Zeit Amenophis’ IV.; nach L. D. III, 109.

') In einem Hathortempel zu El-Kab, 18. Dynastie (nach Berl. Museum Fh. 564, 1488); zu Der-el-bahri,
18. Dynastie (Ph. 1794)) zu Abu Simbel, 19. Dynastie (L. D. III, 192c.); zu Sarbut el Chadem, 19. Dynastie
(Maspero, Histoire, S. 475); zu Karnak Tempel S. 21. Dynastie; zu Dendera, Sp. Zt. (L. D. I. 66);
in einem Mut-Tempel zu Karnak; n. R. (L. D. III, 245 a);
in einem Bast-Tempel zu Bubastis; n. R. (Naville, Bubastis, Taf. 33a u. b; Taf. 34b vielleicht
etwas älter);
 
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