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Braun, Edmund Wilhelm
Ein Trierer Sacramentar vom Ende des X. Jahrhunderts: (Universitätsbibl. Freiburg i. B. MS. 360a) — Heidelberg, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.71629#0033
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einen principiellen Unterschied zwischen der karolingischen und der
ottonischen Kunst zu machen. Ein solcher besteht in der That nicht;
man kann „mit Fug und Recht von einer einheitlichen karolingisch-
ottonischen Kunst reden"1). Selbstverständlich findet innerhalb dieser
Kunstepoche auch eine gewisse Weiterentwickelung statt, sowohl des
figuralen, dekorativen und ikonographischen Schmuckes, als auch der
technischen Methoden. Im Allgemeinen aber haben die Forschungen
Springers, Kraus' u. a. ergeben, dass die Kunst dieser Jahrhunderte
eine zum grössten Teile konservative retrospektive Richtung zeigt (vgl.
Springers oben erwähnten Aufsatz, der besonders durch Kraus Publikation
des Egbertcodex und der Reichenauer Wandgemälde veranlasst wurde).
Man erkannte klar, dass die Oberzeller Wandgemälde auf Reichenau
auf die altchristlich-römische Tradition zurückgehen und sie abschliessen.
Ferner nahm Kraus an, dass die Quellen der Reichenauer Kunstübung
in Italien zu suchen sind, wobei in erster Linie die Benediktinerabteien
Bobbio und Monte Cassino in Betracht kamen, als es sich darum han-
delte, eine von dort herkommende Beeinflussung zu bezeichnen. Ein
Zeuge der Cassineser Kunst des 11. Jahrhunderts sind die oben er-
wähnten Wandgemälde der Kirche San Angelo in Formis bei Capua.
Weitere Werke Reichenauer Ursprungs aus jener Zeit sind der Egbert-
codex (ca. 980), das Heidelberger Sacramentar, das v. Oechelhäuser
(a.*a. 0.) publiciert hat, und vielleicht der Codex Gertrudianus in
Cividale (vgl. oben S. 13 f.). Sie gestatteten die Annahme einer blühenden
Reichenauer Kunstschule, mit der in engstem Causalkonnex andere Werke
stehen, wie das Echternacher Evangeliar in Gotha2) wohl in Trier
zwischen 983 und 991 entstanden), das Aachener Evangeliar3) und
ausserdem noch eine Menge anderer Produkte der Buchmalerei. Voege
hat (a. a. 0.) diese Frage für eine grosse Gruppe dieser Mss. unter-
sucht und eine Centralschule in Köln (Domkloster) konstatiert, in deren
Entwicklung die Reichenauer Werke (Egbertcodex und Wandgemälde)
von aussen beeinflussend hineintraten.
Gegen Springer und Voege, die der Miniaturmalerei die führende
Rolle in der Kunst des 10. Jahrhunderts zuweisen, nimmt Kraus für
die Wandmalerei die erste Stelle in Anspruch. Seine Begründung ist

9 a. a. 0. S. 203.

2) Vgl. Lamprecht a. a. 0. Janitschek, D. Malerei. S. 66. — Eine
vollständige Publikation dieser Bilderhandschrift lässt hoffentlich nicht mehr
zu lange auf sich warten.

3) Beissel, Bilder der Handschrift des Kaisers Otto in Aachen. 1887.
 
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