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Braun, Joseph
Tracht und Attribute der Heiligen in der deutschen Kunst — Stuttgart: Metzler, 1943

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https://doi.org/10.11588/diglit.52614#0415
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Tracht der Heiligen weltlichen Standes

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herabgehendem, gegürtetem, den Oberkörper
meift nur lofe umgebendem Kleid als Unterge-
wand und in vorn offenem, mit einer Spange
vor der Brufl gefchloffenem Mantel oder in
einem den Oberkörper bald nach Weife eines
Mantelpalliums umziehenden, bald in Form ei-
nes vor der Bruft nicht gefchloffenen Mantels
getragenen Umhangtuch als Obergewand. Eine
Kopfbedeckung fehlt bis ins fpäte 15. Jh., das
Haar wallt lang über Nacken und Schultern
herab, doch umgibt bisweilen ein Kranz oder
eine kranzartige Binde, ein fogen. Schapel, den
Kopf. Gewöhnlich tragen heilige Jungfrauen,
befonders Märtyrerinnen, eine Krone, die je-
doch nur dann Beftandteil der Tracht ift, wenn
die Heilige in fürftlichen Gewändern dargeftellt
ift, andernfalls ift ße nur Attribut, Sinnbild der
Märtyrer- oder Himmelskrone oder Hinweis
auf die Herkunft der Heiligen aus fürftlichem
Gefchlecht. (Vgl. z. B. Abb. 9, 28, 69, 101, 116,
117, 129, 187, 221, 250, 391.)
Im fpäteren 15. Jh. ändert ßch dieTracht hei-
liger Jungfrauen zunächft nur infofern, als das
Untergewand ßch in feinem oberen Teil dem
Oberkörper eng anfchließt, feit dem ausgehen-
den 15. Jh. aber teilt es ßch gern im Anfchluß
an die herrfchende Mode in zwei Stücke, in das
faltenlofe, oft überenge, bisweilen reichlich tief
ausgefchnittene Leibchen und den weiten fal-
tigen Rock, und fo bleibt es dann in der Folge.
In der Zeit des Spätbarock und befonders in
der des Rokoko wird das Leibchen zum Mieder
oder gar zur Wefpentaille, und zwar nicht bloß
bei bäuerlichen Heiligen wie Notburga und
Gunthildis, fondern auch bei fürftlichen Heili-
gen und hll. Märtyrerinnen, befonders in Süd-
deutfchland und Öfterreich, wo ßch manche
Beifpiele aus dem 18. Jh. erhalten haben, wie
in der Chriftophorikirche zu Thyrnau (Inv.
Niederbayern 4, S. 227), in der ehern. Karme-
literkirche zu Abensberg (Ebd. 7, S. 42), in der
Pfarrkirche zu Furth (Ebd. 2, S. 97), in der
Pfarrkirche zu St. Margarethen (Inv. Öfterreich
20, S. 53) u. a. (Vgl. z. B. Abb. 68, 90, m, 133,
143, 220, 249, 302, 379.)
Das Obergewand heiliger Jungfrauen zeigt
auf den Darftellungen aus der Barockzeit anftatt
der Mantelform, die ihm bis dahin vornehmlich
eignete, die Form eines den Körper bewegt um-
flatternden Umwurfes.
Als Kopfbedeckung weifen heilige Jungfrauen
im fpäten 15. und frühen 16. Jh. in Angleichung
an Darftellungen heiliger Frauen bisweilen ei-
nen turbanartigen Kopfbund, eine enganfchlie-
ßende, reich verzierte Mütze oder eine wulftige
Haube auf, die ßch in der Zeit des Barock wie-
der verliert. Das Haar fällt aber nun im Gegen-
fatz zum mittelalterlichen Brauch nicht mehr
in lange Strähnen aufgelöft über Nacken und
Schultern herab, fondern ift modifch frifiert.
(Vgl. Abb. 13, 43, 71, 150, 161, 162.) An die
B., H.

Stelle einer den Kopf oberhalb der Stirne um-
ziehenden Krone aber ift im Barock ein keck auf
dem Scheitel thronendes, an die Laterne einer
Kuppel erinnerndes Krönchen getreten.
Frauen
Die Tracht heiliger Frauen, zu denen auch als
ehemalige Sünderin Maria Magdalena zählte,
unterfcheidet ßch in der mittelalterlichen wie
nachmittelalterlichen Kunft bezüglich des Un-
ter- und Obergewandes nicht von der heili-
ger Jungfrauen, und zwar gilt das auch hinßcht-
lich der Modernißerung, die das Untergewand
feit dem fpäteren ij.Jh. erfuhr, und der Umbil-
dung des Obergewandes im Barock. Die Gewan-
dung bei Darftellungen heiliger Jungfrauen und
heiliger Frauen bietet noch in der Zeit des
Barock das gleiche Bild. Eigentümlich ift den Dar-
ftellungen heiliger Frauen nur, daß ßezumUnter-
fchied von heiligen Jungfrauen von jeher faft im-
mer eine Kopfbedeckung zeigen. Sie befteht bis in
die Spätzeit des 15. Jh. entweder in Wimpel, Wei-
hei und Kopftuch oder in Wimpel und Kopftuch
oder endlich nur in einem Kopftuch, das aber
auch Hals und Schultern bedeckte und darum
eine Halsbedeckung durch einen Wimpel unnötig
machte. Dann tritt an Stelle der herkömmlichen
Kopfbedeckung je nach der herrfchenden Mode
eine bald enganfchließende, bald gewölbte, bald
turbanartig wulftige, bald gehörnte, bald mit
Flügeln verfehene Haube, die jedoch im Barock
wieder verfchwindet. Keine Veränderung erfuhr
die Kopfbedeckung der hl. Anna, der Mutter
Marias, bei der ßch, von ganz vereinzelten Aus-
nahmen abgefehen, Wimpel und Kopftuch zu
aller Zeit unverändert behaupteten. (Vgl. Abb.
1, 32, 33, 40, 61, 123, 124, 164, 177, 187, 210,
267, 268, 290, 301, 325, 368, 396.)
Eine Ergänzung der Tracht heiliger Frauen
fürftlichen Standes, wie der hl. Elifabeth, Kuni-
gunde, Helena u. a. bildete auf den Bildwerken
eine Krone. Sie ruhte bis ins 16. Jh. auf dem
Kopffchleier, in der Zeit des Barock jedoch un-
mittelbar auf dem Kopf. Statt einer Krone tra-
gen in gleichem Sinne die hl. Ludmila und die
hl. Hedwig als Ergänzung ihrer Tracht einen
Herzogshut. Im Barock wurde wie bei heiligen
Jungfrauen fo auch bei heiligen Frauen aus der
Krone ein Scheitelkrönchen. Im übrigen zeigte
ihre Tracht in der mittelalterlichen wie in der
nachmittelalterlichen Kunft die gleichen Haupt-
beftandteile wie die gleichzeitige Frauentracht
überhaupt, langes, gegürtetes Unterkleid und
Mantel oder Umwurf. Eine Kopfbedeckung ver-
lor ßch in der nachmittelalterlichen Zeit faft
ganz; ein Beifpiel aus dem frühen 18. Jh. bietet
Abb. 61. Auf mittelalterlichen Bildwerken be-
ftand ße am gewöhnlichften ausfchließlich in
einem Schleier (vgl. Abb. 5, 98, 143, 167, 169,
238, 239, 253, 272, 340), minder häufig in Wim-
pel, Weihe! und Schleier, ftets jedoch, wenn die
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