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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 1): Bewegungsapparat — Berlin, Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.15149#0303
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292

Schulter.

rung des oberen und mittleren Serratus anterior), dann wird die Schulter so weil
nach der Wirbelsäule zu verschoben, daß reine Abduktion bis zur Horizontalen
erfolgt (statt Hebung nach vorn außen). Gewöhnlich arbeitet auch der obere Tra-
pezius mit und deshalb schwillt bei reiner Abduktion der seitliche Halskontur an
(Abb. 138; bei Vorwärtsheben des Armes ist das nie der Fall).

Bei Trapeziuslähmung ist infolgedessen keine reine Abduktion des Armes bis
zur Horizontalen möglich. Es fehlen 20°. Das ist ein charakteristisches Merkmal
für den Ausfall dieses Muskels. Außerdem ist bei Trapeziuslähmung unverkennbar,
wie bei der Abduktion des Armes das ganze Schulterblatt nach vorn gleitet, weil
sein Haupthalt an der Wirbelsäule unterbrochen ist; es stellt sich so, daß der verte-
brale Rand nach unten gegen die Wirbelsäule divergiert.

Ist der Serratus anterior gelähmt, so ist bei Abduktion des Armes ein gewisse]
Ersatz für ihn durch die Levator-Trapeziusschlinge möglich (Abb. 146. I, rot). Der
untere Trapezius dreht im gleichen Sinne die Skapula im akromialen und im sternalen
Schlüsselbeingelenk (um 10° im ganzen) wie der Serratus anterior und ermöglicht
die Wirkung des Deltoides. Es ist trotz erhöhter Arbeit des letzteren bei Serratus-
lähmungen selten möglich, den Arm ganz bis zur Horizontalen zu abduzieren. Immer
steht bei stärkerer Abduktion und Serratuslähmung die Basis scapulae vom Rücken
ab (Scapula alata). Als diagnostisch besonders wichtiges Merkmal prägt man sich
ein, daß bei der Serratuslähmung infolge des Versagens der Serratus-Rhomboides-
schlinge jede Bewegung des Angulus inferior scapulae nach vorn fehlt (negativ;
bei der Trapeziuslähmung ist umgekehrt das Ausrutschen des Schulterblattwinkels
nach vorn bei jeder Bewegung des Knochens positiv).

mr'die1 ^e Anteversion (Vorwärtsheben des Armes bis zur Horizontalen) wird

Anteversion wie bei der Abduktion und aus denselben Gründen außer vom Deltoides und
den beiden Bizepsköpfen von der Serratus-Rhomboidesschlinge bewirkt (Abb. 146,
IV, schwarz). Statt des Trapezius arbeitet bei dieser Bewegung der Pectoralis
major mit. Die Pars clavicularis dieses Muskels, die untere Portion des Serratus
anterior und die Pars clavicularis des Deltoides ergänzen sich darin, daß sie
den Arm in die Sagittalebene hineinstellen. Beide Schlüsselbeingelenke werden
dabei beansprucht. Fällt einer der drei Muskeln aus, so sind die beiden anderen
imstande, durch Mehrarbeit den Ausfall zu decken.

Trotzdem ist für die Serratuslähmung, wenn auch der Arm bis zur Horizon-
talen antevertiert werden kann, gerade während der Anteversion folgende Erschei-
nung sehr charakteristisch und für die Muskelwirkung lehrreich. Der Pectoralis major
ergänzt hauptsächlich die entstandene Lücke. Er^kann aber um so kräftiger wirken,
je mehr dei^kleidoskapjilaj^_Winkel durch ihrTVergrößert wird, "weTTseirrMoment
für-den Ansatz am numerus damit wächst. Das bedeutet für die Skapula starkes
Abhebein der Basis vom Rücken. Die Levator-Trapeziusschlinge (Abb. 146, I, rot),
welche dies in der Norm verhindern würde, gibt das Schulterblatt zugunsten des
Pektoralis frei. Die für Serratuslähmungen charakteristische ,, Scapula alata" tritt
deshalb bei keiner Bewegung deutlicher hervor als bei Anteversion des Armes.

mr^iue ^e Retroversion (Rückwärtsheben) des Armes ist im Schultergelenk

Retrover- und im sternalen Schlüsselbeingelenk rem nach hinten überhaupt nicht mög-
Armes lieh. Im akromialen Schlüsselbeingelenk kann vor allem der Latissimus dorsi

den Arm nach hinten bewegen („Aniskalptor", S. 249).
mr^e ^e Elevation (Hochheben) des Armes über die Horizontale wird aus-

Eievation schließlich in den beiden Schlüsselbeingelenken hervorgerufen, weil der Humerus
rm s im Schultergelenk allein nur bis zur Horizontalen gehoben werden kann. Wirken
allerdings, wie regelmäßig bei normaler Elevation, alle drei Gelenke des Brust-
schulterapparates zusammen, so hebt der Deltoides aus dem Hang um 112°
im Schultergelenk, also nicht unbeträchtlich über die Horizontale hinaus.
Daran sind aber die Rhomboides-Serratusschlinge und das akromiale Schlüssel-
beingelenk insofern beteiligt, weil durch sie das Schulterblatt so weit nach vorn
gebracht und festgehalten wird, daß der Arm nicht zurück gleitet. Bei der
Serratuslähmung ist diese Wirkung wie in einem Experiment ausgeschaltet
und wirklich wird dann der gestreckte Arm — trotz ganz intakten Deltamuskels
— nicht über die Horizontale gehoben (sogar meistens nicht ganz bis zur Hori-
zontalen). Der untere Teil des Serratus anterior, welcher konvergent zum
 
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