über Litteratur. 17
Sechste Vorlesung. Wie in Frankreich
Jahrhunderte hindurch Descartes, in England
Newron und locke alle Regungen des Denkens lenk-
te, so lenkte ste in Deutschland die Leibnitz-Wolfische
Pbüosophie. Das waren allerdings die Zeiten, wo
man wußte, woran man sich zu halten hatte. Jetzt
sind sie vorüber. Die deutsche Philosophie hat die
philosophischen Prachtgebäude der Nachbarn zu-
sammt den vaterländischen theils mit revolutionärer
Frechheit gestürzt, theils mit besonnenerRuhe Stein
für Stein aus einander genommen und mit alten
Materialien nach neuen Plänen neue erbaut, und
zerstört. Es ist mit dem philosophischenleöen gegan-
gen, wie mit dem politischen. Hier ist an sogenann-
te Zufriedenheit, charakterlose Häuslichkeit und un-
gestörte Familien-Glückseligkeit nicht mehr zu den-
ken , und dort will man den nicht länger für einen
Philosophen erkennen, der die von den Vorältern
ererbten Resultate der Erkenntniß und Wahrheit to-
lerant hinnimmt und zusammenscharrt. Nur von
dem kann man sagen, er studiere die Philosophie,
der vom Glauben zum Zweifel, von diesem zum
hohem Glauben steigend, das Liebste, Würdigste,
Festeste in seinem Innern nicht zu vernichten, aber
zu opfern weiß, um Lieberes, Würdigeres, Feste-
res, wie ihm ewig sein Herz verspricht, und selbst
das Geopferte, in bessern Gestalten, wieder zu ge-
winnen. So opferten die Helden aller Zeiten mu-
H. B. i.St. B
Sechste Vorlesung. Wie in Frankreich
Jahrhunderte hindurch Descartes, in England
Newron und locke alle Regungen des Denkens lenk-
te, so lenkte ste in Deutschland die Leibnitz-Wolfische
Pbüosophie. Das waren allerdings die Zeiten, wo
man wußte, woran man sich zu halten hatte. Jetzt
sind sie vorüber. Die deutsche Philosophie hat die
philosophischen Prachtgebäude der Nachbarn zu-
sammt den vaterländischen theils mit revolutionärer
Frechheit gestürzt, theils mit besonnenerRuhe Stein
für Stein aus einander genommen und mit alten
Materialien nach neuen Plänen neue erbaut, und
zerstört. Es ist mit dem philosophischenleöen gegan-
gen, wie mit dem politischen. Hier ist an sogenann-
te Zufriedenheit, charakterlose Häuslichkeit und un-
gestörte Familien-Glückseligkeit nicht mehr zu den-
ken , und dort will man den nicht länger für einen
Philosophen erkennen, der die von den Vorältern
ererbten Resultate der Erkenntniß und Wahrheit to-
lerant hinnimmt und zusammenscharrt. Nur von
dem kann man sagen, er studiere die Philosophie,
der vom Glauben zum Zweifel, von diesem zum
hohem Glauben steigend, das Liebste, Würdigste,
Festeste in seinem Innern nicht zu vernichten, aber
zu opfern weiß, um Lieberes, Würdigeres, Feste-
res, wie ihm ewig sein Herz verspricht, und selbst
das Geopferte, in bessern Gestalten, wieder zu ge-
winnen. So opferten die Helden aller Zeiten mu-
H. B. i.St. B