Christus- und Marienseenen: Pfingsten, Entschlafen Mariä.
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14. Entschlafen der' Go ttesmutter.
Das Bild, das diesem Feste rrjs Osoxoxon) gilt, nimmt regel-
mässig einen grossen Tlieil der Westwand ein, in die es sicli hauptsächlich
mit dem Kreuzigungshilde und Heiligengestalten zu theilen pflegt. Der
Tod Mariä ist das am häufigsten malerisch verlierrlichte Ereigniss der
apostolischen Zeiten, und hinter ihm treten sowol die iihrigen gefeierten
Marienscenen — Gehurt, Tempelgang, Segnung u. s. w. — wie die ge-
feierten Täuferscenen — namentlich Gehurt und Tod — in zweite Linie
zuriick 1, während die Geschichte der Apostel in der Kirche überhaupt nicht
zur Darstellung gelangt. Die Apostel sind ohnehin dem Beschauer stets
vor Augen, da sie sowol im letztbesprochenen Pfmgsthilde, als auch in
dem jetzt zu besprechenden Marienbilde versammelt sind.
Der Vorgang, um den es sich hier liandelt, wird im Synaxarion
folgendermassen erzählt. 2 Als Christus bescliloss, seine Mutter zu sich
zu nehmen, eröffnete er ilir drei Tage zuvor durch einen Engel: es ist
Zeit, dass meine Mutter zu mir aufgenommen werde. Sie geht nun, voll
Verlangen nach ihrer Aufnahme, auf den Oelberg, um zu beten, und die
Bäume auf dem Berge neigen sicli in Demutli vor ilir. Nacli Hause
zurückgekehrt ruft sie die Verwandten und Nachbarn zusammen und
richtet alles ftir ihr Ende her. Sie offenbart den Anwesenden, was der
Engel über ihre Aufnahme in den Hinnnel gesagt hat, und weist zur Be-
glaubigung den Palmzweig vor, den er ilir gegeben. Die Frauen brechen
1 Einige Scenen Mariä (Empfängniss, Geburt, Lieblcosung, sieben Schritte,
Segnung, Tempelgang) sind dargestellt in den Ivircben zu Watopädi, Lawra, Dionysiu,
Docbiariu, sowie in der Georgskapelle zu Ajiu Pawlu; in Watopädi in den Chören,
in den iibrigen Kircben in der Südwestecke. Zehn Marienscenen (Ausweisung,
Joacbim bei den Hirten, Anna am Brunnen, d. i. Empfängniss, Geburt u. s. w.) finden
sicli in der Trapeza zu Lawra. Vgl. „'Ep^pveG.“, §. 349 fg., „Handbuch“, §. 389 fg.
— Geburt oder Geburt und Tod des Täufers sind gemalt in den Kirchen zu Lawra,
Kutlumusi, Xenopbontos, zusammen mit anderen Scenen (Engel erscbeint dem
Zacharias, Plucht der Elisabeth, Täufer tadelt den Herodes u. s. w.) in Dionysiu und
Dochiariu, stets im Nordwesten der Kirche. Zehn Täuferseenen sieht man in der
Trapeza zu Lawra, etwa zwanzig in der Trapeza zu Dionysiu. Diese sämmtlichen
Malereien stammen aus dem 16. Jahrhundert. Vgl. Epgrjveia “, §. 426 fg., „Iland-
bueh“, §. 425 fg. Als Einzelfi gur wird der Täufer oder, wie er hier mit Vorliebe
genannt wird, der Vorläufer (]Ipo8poij.op) gern mit Pliigeln dargestellt, möglicher-
weise erst seitdem man ihn in den Kreis der Engel in der Kuppel aufgenommen hatte
(s. S. 72): die Bereehtigung, ihn gleichsam als Engel aufzufassen, liegt in den An-
fangsworten des Markus (Mark. 1,2), welche die Prophezeihung Maleachi 3, i auf ihn
beziehen. In den Seenen erscheint er jedoch nach wie vor ohne Fliigel.
2 „Mrivaiov“, (15.) August, S. 77. Im Abendlande wurde diese legendarisehe Er-
zählung von Jacobus a Voragine verbreitet; seine Angaben sind irn „Handbuch“,
S. 279 fg. Anm., im Auszug wiedergegeben, von wo sie Eckl, „Die Madonna“ (1883),
S. 294 fg. übernommen hat.
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14. Entschlafen der' Go ttesmutter.
Das Bild, das diesem Feste rrjs Osoxoxon) gilt, nimmt regel-
mässig einen grossen Tlieil der Westwand ein, in die es sicli hauptsächlich
mit dem Kreuzigungshilde und Heiligengestalten zu theilen pflegt. Der
Tod Mariä ist das am häufigsten malerisch verlierrlichte Ereigniss der
apostolischen Zeiten, und hinter ihm treten sowol die iihrigen gefeierten
Marienscenen — Gehurt, Tempelgang, Segnung u. s. w. — wie die ge-
feierten Täuferscenen — namentlich Gehurt und Tod — in zweite Linie
zuriick 1, während die Geschichte der Apostel in der Kirche überhaupt nicht
zur Darstellung gelangt. Die Apostel sind ohnehin dem Beschauer stets
vor Augen, da sie sowol im letztbesprochenen Pfmgsthilde, als auch in
dem jetzt zu besprechenden Marienbilde versammelt sind.
Der Vorgang, um den es sich hier liandelt, wird im Synaxarion
folgendermassen erzählt. 2 Als Christus bescliloss, seine Mutter zu sich
zu nehmen, eröffnete er ilir drei Tage zuvor durch einen Engel: es ist
Zeit, dass meine Mutter zu mir aufgenommen werde. Sie geht nun, voll
Verlangen nach ihrer Aufnahme, auf den Oelberg, um zu beten, und die
Bäume auf dem Berge neigen sicli in Demutli vor ilir. Nacli Hause
zurückgekehrt ruft sie die Verwandten und Nachbarn zusammen und
richtet alles ftir ihr Ende her. Sie offenbart den Anwesenden, was der
Engel über ihre Aufnahme in den Hinnnel gesagt hat, und weist zur Be-
glaubigung den Palmzweig vor, den er ilir gegeben. Die Frauen brechen
1 Einige Scenen Mariä (Empfängniss, Geburt, Lieblcosung, sieben Schritte,
Segnung, Tempelgang) sind dargestellt in den Ivircben zu Watopädi, Lawra, Dionysiu,
Docbiariu, sowie in der Georgskapelle zu Ajiu Pawlu; in Watopädi in den Chören,
in den iibrigen Kircben in der Südwestecke. Zehn Marienscenen (Ausweisung,
Joacbim bei den Hirten, Anna am Brunnen, d. i. Empfängniss, Geburt u. s. w.) finden
sicli in der Trapeza zu Lawra. Vgl. „'Ep^pveG.“, §. 349 fg., „Handbuch“, §. 389 fg.
— Geburt oder Geburt und Tod des Täufers sind gemalt in den Kirchen zu Lawra,
Kutlumusi, Xenopbontos, zusammen mit anderen Scenen (Engel erscbeint dem
Zacharias, Plucht der Elisabeth, Täufer tadelt den Herodes u. s. w.) in Dionysiu und
Dochiariu, stets im Nordwesten der Kirche. Zehn Täuferseenen sieht man in der
Trapeza zu Lawra, etwa zwanzig in der Trapeza zu Dionysiu. Diese sämmtlichen
Malereien stammen aus dem 16. Jahrhundert. Vgl. Epgrjveia “, §. 426 fg., „Iland-
bueh“, §. 425 fg. Als Einzelfi gur wird der Täufer oder, wie er hier mit Vorliebe
genannt wird, der Vorläufer (]Ipo8poij.op) gern mit Pliigeln dargestellt, möglicher-
weise erst seitdem man ihn in den Kreis der Engel in der Kuppel aufgenommen hatte
(s. S. 72): die Bereehtigung, ihn gleichsam als Engel aufzufassen, liegt in den An-
fangsworten des Markus (Mark. 1,2), welche die Prophezeihung Maleachi 3, i auf ihn
beziehen. In den Seenen erscheint er jedoch nach wie vor ohne Fliigel.
2 „Mrivaiov“, (15.) August, S. 77. Im Abendlande wurde diese legendarisehe Er-
zählung von Jacobus a Voragine verbreitet; seine Angaben sind irn „Handbuch“,
S. 279 fg. Anm., im Auszug wiedergegeben, von wo sie Eckl, „Die Madonna“ (1883),
S. 294 fg. übernommen hat.