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Brugsch, Heinrich
Hieroglyphisch-demotisches Wörterbuch (Band 4) — Leipzig, 1868

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https://doi.org/10.11588/diglit.3732#0008
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VIII

hem (kopt. Teg^w, T*.<>e.M, -rcogeM vocare) „laut rufen". Dem ne-hem entspricht als Analogon
die Bildung ne-kaka „gackern, schnattern", gegenüber dem Verbum kaka (kopt. 6&k plau-
dere, &uj-k^k, m-K^K clamare, exclamare, clamor), das seinerseits die 1. Form der Urwurzel
ka „schreien", darstellt. So bildete sich aus der Wurzel neh, noh, nenh, welche mit der
Vorstellung vom Strick im Zusammenhange steht (kopt. uog, «o-s-^ funis), ein Verbum
se-neh und ein anderes te-neh, beide mit der Bedeutung von „mit einem Strick binden,
binden, fesseln" (cf. kopt. ceno, cwno, c&n.\£ ligare, vincire). Der überreiche Stamm
jen, jun mit der Grundbedeutung von „einschliessen, verschliessen", woher jun „das
Verschlossene, das Innere einer Sache", entwickelte sich zu Weiterbildungen wie ä-jen
„die Augen schliefsen" (s. Wörterbuch S. 217) und in ä-jen-t „das was verschlossen
ist, ein zum Verschliefsen eingerichteter Raum" (s. Nachtrag), so wie in te-^en „ver-
schliefsen, verbergen, verstecken".

Ein derartiges Verständnifs des innersten Baues der altägyptischen Sprache er-
öffnet nicht nur eine ungeahnte Quelle zur Erkenntnifs der wahren und ursprünglich-
sten Grundbedeutung der ägyptischen Wurzeln, sondern liefert auch Beiträge von ganz beson-
derer Wichtigkeit für die heut zu Tage mit so groi'sen Erfolgen behandelte philosophische
Sprachforschung. Hierzu tritt neben dem nachweisbar hohen Alter des Altägvptischen die
eigenthümliche Stellung dieser Sprache den semitischen und indogermanischen Sprach-
gruppen gegenüber. Bereits in der Einleitung habe ich meine volle Ueberzeugung dahin
ausgesprochen, dafs die Wurzeln der ägyptischen Sprache in einem engen Zusammen-
hange stehen mit den entsprechenden Stämmen, welche die Basis des semitischen Wurzel-
lexikons bilden. Nachdem sämmtliche in diesem Werke enthaltenen Wörter durch meine
Feder gegangen sind, kann ich meine oben ausführlicher entwickelte Ansicht nur in er-
höhtem Maafse verstärkt sehen. Da ist von keiner oberflächlichen oder leichtfertigen
Vergleichung die Rede und man mul's blind sein wollen, um die Wahrheit zu verkennen.
Mag eine so enge Verwandtschaft zwischen dem Aegyptischen und Semitischen, auf die
zuerst mein theurer Freund und College Prof. Th. Benfey, besonders in grammatischer
Beziehung, hingewiesen hat, manchem neu und ungewöhnlich erscheinen, so wird die Zu-
kunft lehren, dafs sich hier der vergleichenden Sprachforschung ein weites, mächtiges
Feld geöffnet hat, und dafs diejenigen von schwerem Irrthume befangen waren, welche
das Aegyptische in die Klasse der sogenannten isolirten Sprachen verwiesen.

Was den umfang des altägyptischen Wortschatzes anbetrifft, den Bunsen im
Jahre 1845 sich auf 685 Wörter belaufen läl'st, so ist mit der von uns gegebenen Zu-
sammenstellung von 4700 Wörtern der Vorrath noch lange nicht erschöpft. Meine hand-
schriftliche Sammlung weist eine Vermehrung von ungefähr 1100 Wörtern nach, die ich
der Seltenheit ihres Vorkommens oder der Unsicherheit ihrer Lesung und Deutung halber
vorläufig aus dem lexikalischen Verzeichnifs ausschliefsen zu müssen glaubte. Aber auch
damit hat die Sammlung ihr Ende noch nicht erreicht und es läfst sich annehmen, dafs
der Gesammtwortschatz mindestens 7000 Wörter umfafst. Natürlich sind davon alle
Eigennamen ausgeschlossen, die für sich allein vollständige Wörterbücher bilden würden.
Die koptische Sprache besteht nach einer von mir angestellten Ueberschlagsrechnung aus
einer Zahl von ungefähr 5000 Wörtern, steht also an Reichthum dem älteren Idiom bei
weitem nach. Mit dem Hinsinken und dem Untergange des alten heidnischen Cultur-
staates büfsten die christlichen Aegypter mehr Wörter ein als sie andererseits durch
Adoptirung griechischer Wörter gewannen. Immerhin reicht der vorhandene Wortschatz,
 
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