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Brugsch, Heinrich
Reise nach der grossen Oase El Khargeh in der libyschen Wüste: Beschreibung ihrer Denkmäler — Leipzig, 1878

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https://doi.org/10.11588/diglit.3991#0090
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____84_

die Anhänger der Religion des Messias nach der grossen Oase zu verbannen. Der heilige Atha-
nasius, der fromme Nestorius und andere christliche Bischöfe musstcn ihre Glaubenstreue in
der Verbannung inmitten der libyschen Wüste büssen. Die byzantinischen Kaiser thaten das-
selbe, was bereits die Pharaonen als Strafe oder Rache den Feinden ihrer Personen oder den
Uebertretern der ägyptischen Gesetze angedeihen Hessen, ganz abgesehen von den Kriegs-
gefangenen, welche in diesen traurigen Gegenden zu Dienstleistungen als Gärtner und Feld-
arbeiter gezwungen wurden.

Dass ein Verbannungsort wie die Oase nicht ohne Aufsicht und militärische Besatzungen
bleuten konnte, ist selbstverständlich. Der Karawanenverkehr nahm im Westen des Nilthaies
seine Strasse vor allem durch die wasserreichen Thäler der Oasen und die Exilirten hätten mit
Leichtigkeit eine günstige Gelegenheit zum Entweichen benutzen können. Späher und Aul-
passer waren deshalb eine Notwendigkeit, wie solche thatsächlich in einem hieratischen Pa-
pyrus (Pap. Anast. IV, 10) unter der Bezeichnung ®~ §f w J^< s^n' „^ ^/L nen en

pa-la-n-Uit „der Späher des Oasenlandes" bereits für die Zeiten der 19. Dynastie nachgewiesen
werden können.

Die Frage ob die alten ägyptischen Könige überhaupt die Verbannung als ein Mittel der
Bestrafung gekannt und ausgeübt haben, ist bisher noch nicht beantwortet worden, aus dem
sehr einfachen und erklärlichen Grunde, weil das dafür in Anwendung kommende Wort der
ägyptischen Sprache ganz missverstanden worden ist. Ich werde in Folgendem den philo-
logischen Nachweis der üblichen Bezeichnung dafür vorlegen, indem ich damit die Besprechung
einer ebenso wichtigen als lehrreichen Inschrift, betreffend die Zurücknahme eines Verbannungs-
decrets für exilirte Aegypter in der grossen Oase, verbinde.

In einer leider sehr zerstörten Inschrift, welche in Luqsor entdeckt ward*) und die ich
Gelegenheit hatte vor zwei Jahren so genau als möglich zu copiren, findet sich nämlich an
mehreren Stellen die Oase als ein Verbannungsort erwähnt. Die betreifende Inschrift (deren
erste Copie von der Hand eines ungelehrten Reisenden ich in meinem Recueil Bd. I publizirte)
befindet sich auf Taf. XXII dieses Werkes. Bevor ich die vollständige Uebertragung derselben
vorlege, erlaube ich mir eine zum Verständniss nothwendige Vorbemerkung besonders mit Rück-
sicht auf die philologische Feststellung des Wortes für Verbannung.

Die Stele datirt vom Jahre 25**) des Königs Pi-noiem I (1033 vor Chr.), Vaters des ersten
Propheten des Amon M&n-ieper-rd,. Der letztgenannte, zugleich Befehlshaber einer bewaff-
neten Truppe, hatte einen Aufstand in der Thebaide unterdrückt, zog nach seinen Siegen in
Theben ein, ward als Hoherpriester des Amon und als Nachfolger seines Vaters in dieser Würde
proclamirt und trat sein neues Amt mit einer scheinbaren edelmüthigen Handlung an, um
deren Genehmigung er den Götterkönig Amon wiederholt und persönlich bittet. Er verlangt
von dem Gotte die Erlaubniss die nach der Oase Yerhaimten Aegypter, einer Gegen-
partei angehörig, begnadigen und zurückrufen zu dürfen, was ihm der Gott huldreichst
gewährt.

Der ägyptische Ausdruck, welcher die Verbannung bezeichnet, ist in diesem Texte durch
ein Wort wiedergegeben, welches auch sonst in den Texten erscheint, aber meines Wissens von

*) Vergl. darüber S. 41 meines Recueil 1 pag. 39 iL, woselbst der Fund uiilier erörtert worden ist. Die
auf Tal. XXII. desselben Werkes befindliche Inschrift stellt die erste Abschrift des Textes nach der Copie
des Hrn. Maunicr dar.

**) lieber das Zeichen für die Zahl ii besteht ein leiser Zweifel. Die angewöhnliche Form desselben
~|, welche zweimal in der Inschrift wiederkehrt, scheint der hieratischen Gestalt der Zahl ö entlehnt zu sein-
 
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