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Bruhns, Leo
Deutsche Barockbildhauer — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 85-87: Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.61074#0044
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immer mehr im sehr irdischen einer verführerischen und
verführten Sinnlichkeit. Unter diesen Spätwerken, zu
denen die meisten von Ignaz Günther gehören, gibt es
zahlreiche von allerhöchster ästhetischer Qualität — sie
wird aber in der Regel um so reiner genossen, je welt-
licher die betreffenden Bildwerke gemeint sind. Die
Bellona Straubs z. B. (Abb. 54), die eine irdische,
keine himmlische Göttin sein will, gereicht es nur zum
Vorteil, daß sie gegenüber den älteren Allegorien des
Barock an menschlicher Persönlichkeit gewonnen hat.
Ihr Künstler hat sie nahempfunden, der plastischen
Durchbildung der Formen, der feinen Durchführung des
Standmotivs, dem Ausgleich der Massen eine neue Sorg-
falt gewidmet und doch zugleich alle Finessen der male-
risch-dekorativen Haltung beibehalten. Diese Ver-
einigung von statuarischer Würde und gelockerter Be-
weglichkeit gibt ihr den besonderen, sehr pikanten Reiz,
der höchstens ihren Charakter als Kriegsgöttin in Frage
stellt, aber keinerlei ernstere Gefühle verletzt.
Dagegen haben sich nicht wenige religiöse Bildwerke
des Spätrokoko durch eine ähnliche Vereinigung von
Fern- und Nahreizen, von himmlischer Beweglichkeit
und allzu irdischer Schönheit den Vorwurf der Frivolität
oder Lüsternheit zugezogen. Den Lautenschläger
des Überlinger Museums z. B. (Abb. 57) wird man
sich bei allem ästhetischen Wohlgefallen schwerlich ohne
Widerspruch als Engel oder gar als Verkündigungsengel
gefallen lassen, und die möglicherweise zugehörige
weibliche Figur, die neuerdings in Berliner Privat-
besitz (Abb. 56) gelangt ist, nur mit Kopfschütteln
oder Lächeln als zukünftige Mutter des Flerrn. Es sind
Wesen, die mit ihren verwegenen hüpfenden oder kreisel-
artigen Drehungen und ihren schnittigen, mehr ent-
hüllenden als verdeckenden Gewändern in den luftigen
Höhen großer Altäre wohl als Himmelskinder gelten
könnten, nun aber, wo sie auf die Erde herabgestiegen

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