Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bruhns, Leo
Deutsche Barockbildhauer — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 85-87: Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1925

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61074#0043
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
die angeblich über glühende Schaufeln schreitet, be-
trachtet. Wer sie aber im Zusammenhang mit dem
Ganzen gesehen hat, als fürstliche Himmelsbewohnerin
zu Füßen der Dreieinigkeit, in ihrem stolzen Lächeln ein
Abglanz des Göttlichen, der wird sie ohne jede Ein-
schränkung bewundern, nicht nur als Kaiserin, sondern
auch als Heilige. Die deutsche Kunst hat mit dieser Ge-
stalt eine der höchsten Verklärungen des Begriffes
„Dame“ geschaffen, und wie sehr gerade das Damen-
hafte dem Rokoko entsprach, zeige ein Blick zurück in
die Anfänge des Stils, von wo die Barbara Joh. Wil-
helm Gröningers im Dom zu Münster, ein Werk auf
der Stilstufe von Permosers Augustinus, als jüngere
Schwester die Kaiserin grüßt (Abb. 52).
Das kosmische Gefühl für den innigen Zusammen-
hang aller Dinge, das in seiner Ehe mit dem Persönlich-
keitsgefühl der Renaissance die Mutter aller Barock-
kunst ist, fängt um 1770 an, auch in Deutschland schwä-
cher zu werden (oder richtiger: es findet in der Literatur
einen neuen Ausdruck, vor allem in Goethes pantheisti-
schen Jugendgedichten). Der malerische, d. h. Grenzen
verwischende Stil weicht langsam einem plastischen,
d. h. Grenzen betonenden. Das äußert sich zuallererst
in einer stärkeren Absonderung der Einzelfiguren oder
Einzelgruppen, in einer Schwächung der dekorativen
Einheit von Architektur, Plastik, Malerei und Orna-
ment. Es entstehen Werke, die zwar an Beweglichkeit
und flimmerndem Glanz alles Dagewesene übertreffen,
mit diesen Eigenschaften aber mehr um ihrer selbst
willen ausgestattet erscheinen, um möglichst leicht,
elegant, pikant zu wirken, nicht so sehr, um sich einer
großen Gemeinschaft einzufügen. Desgleichen wird das
Erbe der weichen, zarten Modellierung der Körper und
ihres schmelzenden süßen Ausdrucks bewußter aus-
genutzt denn je, aber ebenfalls immer weniger im ur-
sprünglichen Sinne einer Vereinigung mit dem Himmel,

39
 
Annotationen