Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Brunn, Heinrich; Brunn, Heinrich [Editor]; Brunn, Hermann [Editor]
Heinrich Brunn's kleine Schriften (Band 3): Interpretation. Zur Kritik der Schriftquellen .. — Leipzig: Teubner, 1906

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.45324#0146

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
130 Troische Miszellen. Apollons Ankunft in Delphi.
Duris mich direkt auf Pindar berief, so mag es mir gestattet sein, bei der
Tliupersis des Brygos die Autorität keines Geringeren als des Homer selbst
in Anspruch zu nehmen. Man preist es als eine der sinnigsten Erfindungen
des Dichters, daß beim Mahle der Phaiaken im achten Gesänge der Odyssee
die Erzählung von Ilions Fall und von der hervorragenden Beteiligung des
Odysseus an demselben dem Sänger Demodokos in den Mund gelegt wird.
Denn indem wir wissen, daß unter den Hörern Odysseus selbst sich be-
findet, verdoppelt sich unsere Teilnahme; es sind nicht mehr fremde Er-
eignisse, von denen wir hören, sondern Ereignisse, an denen wir selbst
gewissermaßen persönlichen Anteil haben, insofern wir die Empfindungen,
die den Odysseus beim Anhören des Gesanges bewegen mußten, unwillkür-
lich auf uns selbst übertragen. In verwandtem, durchaus homerischem
Geiste sind die Malereien des Brygos erfunden. Wir sehen, oder sagen wir
einmal: wir vernehmen die Schilderung von Ilions Untergang. Aber indem
es Briseis ist, von der die Erzählung ausgeht, und Peleus derjenige, an den
sie gerichtet ist, vernehmen wir nicht nur die Tatsachen, sondern wir teilen
die Empfindungen derjenigen, deren eigenes Schicksal mit jenen Tatsachen
auf das engste verknüpft ist.
Parisurteil und Apollons Ankunft in Delphi.
Auf den beiden zuletzt betrachteten Trinkschalen waren es überall
troische Szenen, welche durch eine poetisch-künstlerische Idee einheitlich
miteinander verbunden wurden. Daß zu demselben Zwecke aber auch
Szenen aus verschiedenen Sagenkreisen zusammengestellt werden konnten,
lehrte z. B. die S. 179 [Hl] erwähnte Trinkschale, auf der zu dem
Ringen des Peleus und der Thetis und zu dem Kampfe des Diomedes gegen
Aphrodite als drittes Bild der Kampf des Herakles gegen Ares gesellt war.
Hier bedurfte es keiner langen Erörterungen, um den allen drei Darstel-
lungen gemeinschaftlichen einheitlichen Grundgedanken als das erfolgreiche
Kämpfen dreier Sterblicher gegen Unsterbliche nachzuweisen. Die Richtig-
keit dieser Auffassung läßt sich vielleicht nicht besser erproben, als wenn
wir einmal versuchen wollten, an die Stelle des Aineias die künstlerisch so
gut wie gleichwertige Szene der Errettung des Paris durch Aphrodite zu
setzen: es genügte ja fast, nur die Inschriften zu vertauschen. Allein der
geistige Zusammenhang wäre gelöst. Wenn nun auch die wechselseitigen
Beziehungen nicht immer so offen darliegen, so sind sie doch darum oft
genug nicht weniger vorhanden. Unter diesem Gesichtspunkte möchte ich
zum Schlüsse noch eine ausgezeichnete Vase betrachten, deren zweites Bild
ohnehin seine richtige Erklärung noch nicht gefunden zu haben scheint. Es
ist dies der Krater der Petersburger Eremitage, der von Stephani im C. R.
1861 T. 3 und 4 publiziert ist (die Vorderseite ist wiederholt in meinen
Übungsblättern T. 10b; die Rückseite in den Conzeschen, Ser. II T. 7;
letztere außerdem in der A. Z. 1866 T. 211) [Abb. 32], Die Vorderseite
enthält das durch die Gegenwart von Themis und Eris ausgezeichnete Paris-
urteil, über welches ich meine Ansichten in den Sitzungsber. 1868 S. 52 ff.
[S. 72 Abb. 21] dargelegt habe. Auf der Rückseite erblicken wir in
größerer Umgebung, welche auf Delphi als Lokal hinweist, Dionysos, in
dessen Rechte Apollon jugendlich und halb schüchtern die seinige legt. An
 
Annotationen