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Büttner, Nils [Editor]; Koch, Anne-Katrin [Editor]; Zieger, Angela [Editor]; Schneidler, Friedrich Hermann Ernst [Editor]; Ausstellung Buch - Kunst - Schrift: F. H. Ernst Schneidler <2013, Offenbach am Main> [Editor]; Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart [Editor]; Klingspor-Museum Offenbach [Editor]; Bertram, Gitta [Oth.]
Buch Kunst Schrift: F. H. Ernst Schneidler ; [diese Publikation erscheint begleitend zur Ausstellung "Buch - Kunst - Schrift: F. H. Ernst Schneidler", Klingspor-Museum Offenbach, 10. März bis 5. Mai 2013] — Stuttgart, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.38908#0246
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8
Siehe hierzu den Beitrag von Paula Simion
in diesem Katalog, S. 170. Beispielhaft sei
hier auch die Schrift Legende genannt, deren
Urform er schon in den 20er fahren des
20. Jahrhunderts entwickelte, die aber erst
1937 endgültig auf den Markt kam.
Siehe dazu: Max Caflisch [u.a.]: F.H. Ernst
Schneidler. Schriftentwerfer, Lehrer, Kal-
ligraph, München 2002, S. 216-222.
9
Wie Anm. 2, Klingspor Museum
Offenbach, Brief Nr. 1947-4.
10
Siehe zum Wassermann den Beitrag von
Sandra Lauenstein in diesem Katalog, S. 146
11
Wie Anm. 2, Klingspor Museum
Offenbach, Brief Nr. 1947-4.

In der Übung der Handschrift überschneiden sich die beiden
Pole des Schneidlerschen Lebenswerkes: die Tag- und Nachtar-
beit. Die Arbeit am Tag diente dem Broterwerb und erstreckte
sich auf seine Lehrtätigkeit als Professor, seine Auftragsarbeiten
für Schriftgießereien und Verlage, aber auch auf seine aus eige-
nem Antrieb entworfenen Druckschriften, die - sobald sie das
Stadium des Entwurfs hinter sich gelassen hatten - vor allem
Mühe bedeuteten. Bis ein handgezeichneter Schriftentwurf in
einer gegossenen Letter mündete, konnten Jahre vergehen, ge-
prägt von mühsamen Korrektur- und Optimierungsprozessen.8
Die Arbeit in der Nacht, an Feiertagen oder in den Ferien war
für Schneidler dagegen Lebenselixier. In den einsamen Stunden
entstand ein Werk im Verborgenen, das er sorgfältig schützte
und sehr selten ausgewählten Kollegen zeigte. Am Schreibtisch
in seinem Haus in Gundelfingen auf der Schwäbischen Alb ver-
senkte er sich in die Tiefen des Schreibens und der Schrift, in
die schier unendlichen Weiten des »Schrift-Form-Machens«.9
An den Arbeiten für den Wassermann, den freien Schriftblät-
tern, die vor allem in den 20er und den 40er Jahren entstanden
und auch in Briefen, die er an Freunde schrieb, wird deutlich, mit
welcher Intensität das Schreiben und die Schrift von Schneid-
ler empfunden wurden.10 So schreibt er im März 1947 an seinen
ehemaligen Schüler Imre Reiner: »Aber es ist so: Ich bin vielleicht
der einzige jetzige Mensch, der die Urtriebe und Urthemen al-
len Schriftmachens ahnend fühlt, die endlosen Möglichkeiten
des Schrift-Form-Machens, manchmal sogar im Nebel sieht. Seit
25 Jahren bin ich in Verzweiflung und in Schaudern der Schrift
wie einer magischen Kraft ausgeliefert.«11 Und einen Monat
später, wieder an Imre Reiner, schildert er, wie ihn ein einziges
geschriebenes Wort über Jahre elektrisieren konnte: »Sie haben
mir, das ist jetzt 25 Jahre her, ein wahrscheinlich gezeichnetes
Wort gezeigt. Ich meine, es ist das Wort >Hamlet< gewesen. Ha-
ben Sie das Blatt noch? Dieses eine Wort hat mir, nicht sofort,
sondern später in der Erinnerung... wie ein Leuchtturm gehol-
fen. Die Erinnerung an dieses Wort hat sich mit anderen, mit
Einsichten, Beobachtungen, Ahnungen verbunden. Aber es
bedeutete für mich einen Anfang, eine erste Erkenntnis von
der Bedeutung der Fragen, die mich noch heute beschäftigen.«
Im Folgenden benennt er genau die existentiellen Fragen, die
ihn nicht loslassen: »Was ist eigentlich Schrift und Schreiben,
von Grund aus, von ganz unten her? Wie macht man das: Schrei-
ben? Was macht sich selber, viel, wenig, vielleicht das Meiste

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Übungen« - Die verborgenen Arbeiten
 
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