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Büttner, Nils [Editor]; Koch, Anne-Katrin [Editor]; Zieger, Angela [Editor]; Schneidler, Friedrich Hermann Ernst [Editor]; Ausstellung Buch - Kunst - Schrift: F. H. Ernst Schneidler <2013, Offenbach am Main> [Editor]; Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart [Editor]; Klingspor-Museum Offenbach [Editor]; Bertram, Gitta [Oth.]
Buch Kunst Schrift: F. H. Ernst Schneidler ; [diese Publikation erscheint begleitend zur Ausstellung "Buch - Kunst - Schrift: F. H. Ernst Schneidler", Klingspor-Museum Offenbach, 10. März bis 5. Mai 2013] — Stuttgart, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.38908#0191
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gestalterische Unterschiede, aber die Veränderungen in den Her-
stellungsschritten, die sich im Hintergrund in diesen letzten 80
Jahren abspielten, sieht man - wenn überhaupt - nur mit sehr ge-
schultem Auge. Die meisten haben mit Sicherheit schon einmal
etwas über die Erfindung des Buchdruckes mit flexiblen Lettern
durch Johannes Gensfleisch gehört, der sich selbst Gutenberg
nannte. Daher können sie sich unter Bleisatz noch annähernd
etwas vorstellen, doch den Begriffen »optomechanischer Satz«,
»Fotosatz« und »Desktop Publishing« stehen wahrscheinlich vie-
le, die nicht direkt mit dem Verlagswesen oder dem Buchdruck
zu tun haben, eher ratlos gegenüber.
Im Folgenden wird ein Blick auf diese Entwicklungen seit
der Schaffensphase Schneidlers geworfen und überprüft, ob
Kapr und Schäfer mit ihrer Aussage recht behielten und es im
Übergang zu digitalen Verfahren zu einem Verlust an guten
Satzschriften kam. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht exem-
plarisch die Schrift Schneidler-Mediaeval als Buchdruckschrift
| Abb.3 und Abb.41. In einer namenlosen Testvariante findet ihr
erstes Auftreten in der dritten Kassette des Wassermann statt
| Abb.21.2 Einige Jahre später, Ende der 30er Jahre, wird sie von
Schneidler für die Frankfurter Schriftgießerei Bauer überarbei-
tet.3 Der Name »Schneidler-Mediaeval« wurde 1937 von der Gie-
ßerei im Verzeichnis der Schriftnamen des »Vereins der Schrift-
gießereien« eingetragen.4
Wirkung und Herkunft
Bei der Schneidler-Mediaeval handelt es sich um eine Schrift,
die nur geringe Unterschiede in der Strichstärke besitzt, was zu
einem ruhigen, gleichmäßigen Satzbild führt | Abb. 41. Ihre rela-
tiv dünnen Strichstärken und großen Buchstabeninnenräume,
»Punzen« genannt, ergeben ein helles und offenes Gesamtbild.
Durch die Serifen und Details in den Buchstaben, wie der schrä-
ge Querbalken des kleinen »e« oder das geschwungene Fragezei-
chen, entsteht eine Dynamik, an der man erkennen kann, dass
ihr Ursprung in der geschriebenen Schrift liegt. Darauf weist
ebenfalls der leicht nach rechts geneigte Schreibduktus hin, zu
sehen an einer nach links geneigten Achse der Rundungen, zum
Beispiel beim kleinen »o«. Hieran lässt sich ersehen, dass sich die
Druckschrift an einer Vorlage orientiert, die mit einer schräg an-
gesetzten Breitfeder geschrieben wurde. Sie nimmt damit Bezug
auf die italienischen Druckschriften des 15. Jahrhunderts. Die
damals zu verzeichnende Rückbesinnung der Gelehrten auf die
Antike wird traditionell als Epoche der Renaissance bezeichnet.

carminum Über primus
nunc est bibendum, nunc pede iibero
pulsanda tellus, nunc saliaribus
ornare pulvinar deorum
tempus erat dapibus, sodales.
I Abb. 2 | Unbenannter Probeschnitt der
Schneidler-Mediaeval, Ausschnitt
eines Satz-Beispiel es aus der 3. Kassette
des Wassermann

2
Der Wassermann besteht aus vier Kasset-
ten mit unterschiedlichen Druckbeispielen,
die in Zusammenarbeit von F.H. Ernst
Schneidler, Studenten und Werkstattlehrern
entstanden. Weitere Informationen im
Beitrag von Sandra Lauenstein in diesem
Katalog, S.146.
3
Eine detaillierte Beschreibung der Ent-
wicklung dieser Schrift wird von Max Caflisch
anhand der Aufzeichnungen und Korres-
pondenzen zwischen Schneidler undderBauer-
schen Gießerei, in seinem Textbeitrag
über die Druckschriften in dem Buch Max
Caflisch [u.a.]: F.H. Ernst Schneidler.
Schriftentwerfer, Lehrer, Kalligraph, Mün-
chen 2002, S. 256-270, gegeben.
4
Vgl. Max Caflisch: »Die Druckschriften,
Schmuckserien und Vignetten von
F.H. Ernst Schneidler«, in: Caflisch 2002
(wie Anm. 3), S.262.

Anne-Katrin Koch

202
 
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