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Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0181

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des Meisters allein ausgegangen sein kann, son
dem ein Aufenthalt Holbeins in den Niederlanden
selbst angenommen werden muß.
Die im Weingartener Altar eingeschlagene Rich-
tung wird von Holbein bis weit ins XVI. Jahrhun-
dert hinein nicht mehr verlassen. Dennoch gibt es
einige Jugendwerke, die keinen direkten nieder
ländischen Einfluß zeigen und am Anfang der Ent-
wicklung des Künstlers zu stehen scheinen: der
Tod Mariae in Budapest und die Flügel des Afra-
altares in Eichstätt und Basel. Einzelne Apostel
köpfe und einzelne Figuren auf dem Marientod er-
innern in ihrer Bildung und ihrem Ausdruck fast
an die Kunst des Hausbuchmeisters*). Die Dar-
stellungen des Afra-Altares aber zeigen am stärk-
sten einen Zusammenhang mit der vorangehenden
Augsburger Kunstübung. Das um 1490 beiRueland
Frueauf oder bei Zeitblom zu beobachtende Ar-
chaisieren macht sich auch in einer Komposition,
wie der Marienkrönung in Eichstätt, bemerkbar.
Altertümlich ist auch die Art, wie auf dem kleinen
Marientod in Basel die Nimben der Apostel die
dahinterstehenden Köpfe zerschneiden. Gewiß ist
die Darstellung des tiefen Innenraumes auf diesem
Flügelbilde — das gegenüberstehende ist durch
eine flache Thronarchitektur abgeschlossen —
letzten Endes auf einen Einfluß Rogier'scher Kunst
zurückzuführen. Aber dieser Einfluß ist kein di-
rekter; diese Art des Niederländers, ein Bett ver-
kürzt darzustellen, war von 1470 an allgemein in
Deutschland bekannt. Und die Bildung einzelner
Figuren ist ebenso wie die Gruppenanordnung
recht unniederländisch. Die Bestattung der heili
gen Afra in Eichstätt (Abb. 121) besteht aus den zu-
sammengefügten Außenflügeln eines Altars, dessen
Mittelstück ebenso wie das des Weingartener Al-
tars leider verschollen ist. Rogiers Ausgeglichen-
heit der beiden Bildhälften ist ein Kunstmittel, das

von den meisten deutschen Malern, die in der
zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts tätig waren,
übernommen worden ist. Hier ist es in einem
Maße ins rein Dekorative übersetzt und in gleich-
mäßig flächenfüllender Weise umgedeutet, daß
deutlich zu erkennen ist, wie stark die deutsche
Spätgotik die Kunstmittel der großen Niederländer
aus einem veränderten Kunstwollen heraus um-
wandelt. Es erscheint mir vollkommen ausge-
schlossen, daß die hier besprochenen Werke nach
dem Weingartener Altar entstanden seien, da alle
späteren Kompositionen Holbeins den Stil dieser
Werke und nicht den des Budapester Bildes und
der Flügel des Afra-Altares weiterbilden. In Gurt
Glasers sehr verdienstvoller Holbein-Monogra-
phie^) finden wir jedoch die Werke nach dem
Weingartener Altar eingereiht, was folgenderma-
ßen begründet ist: ,,Die Jahreszahl findet sich im
Nimbus des Sanctus Matthäus im Marientod. Die
letzte Ziffer ist nicht ganz sichtbar, die Zahl aber
nicht gut anders als 1495 zu lesen. Eine andere
Jahreszahl, ebenfalls zum Teil verdeckt, aber an-
scheinend 1490 zu lesen, im Nimbus des Jacobus
Major, ist sicher nicht ursprünglich und schon
von Woltmann (II., 66) und His (Allgemeine
deutsche Biographie XII, 1880) mit Recht ange-
zweifelt". Dem steht freilich gegenüber, daß der
offenbar von Ganz herausgegebene Katalog der
öffentlichen Kunstsammlung in Basel von 1908 die
Bemerkung enthält: ,,Die Nimben der Apostel tra-
gen Namen und Anrufung, sowie zweimal das Da-
tum 1490." Ich habe mich infolgedessen an den
verstorbenen Konservator der Baseler Galerie, Pro-
fessor Rintelen, mit der Bitte gewendet, die Jah-
reszahl untersuchen zu lassen und habe von sei-
nem Assistenten Adolf Glaser folgenden Bescheid
erhalten: ,,Im Aufträge des Herrn Professor Rinte-
len berichte ich Ihnen über die Untersuchung der
beiden Jahreszahlen auf dem Bilde mit dem Tode
Mariae von Holbein dem Älteren. Unser Restau-
2) Leipzig 1908, S. 28.

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