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Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0182

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rator, Herr Fred Bentz, hat in unserer Gegenwart
das Bild untersucht und erklärt, daß beide Jahres-
zahlen alt seien. Die Jahreszahl im Nimbus des
Jacobus Major ist deutlich 1490 zu lesen und, wie
Herr Bentz erklärte, könne man nicht an ihrer
Echtheit zweifeln, trotz ihres verschiedenen Duk-
tus, den sie im Vergleich zur anderen Jahreszahl
zeigt. Sie ist wie die im Nimbus des Matthäus
(auch die Schriften) eingeritzt, aber etwas plum-
per. Die Jahreszahl im Nimbus des Matthäus ist
nicht vollständig. Man kann deutlich nur die Zif-
fern 14 9 lesen. Was nach der Ziffer 9 an Andeu
tung folgt, ist so wenig charakteristisch, daß es der
Anfang einer Null wie auch einer anderen Ziffer
sein könnte. Schuld ist ein in der Farbe des Nim-
bus geführter Pinselstrich, der zwischen der Na-
sen-Stirnpartie und der Ziffer sich befindet und sie
fast zudeckt. Diese Jahreszahl ist auch als echt
erkannt worden; sie war in dieser Hinsicht nicht
ernsthaft umstritten." Damit scheint mir der Tat-
bestand festgelegt. In den 1490 datierten Flügeln
des aus der Kapelle des Kaisheimer Hofes stam-
menden Afra-Altares ist das früheste erhaltene
Werk Holbeins erkennbar. Wenn, wie auch ich
mich vor dem Original überzeugt habe, die eine
Jahreszahl deutlich 1490 zu lesen und sicher echt
ist, so besteht kein Grund anzunehmen, daß der
Altar später gemalt wurde und daß die zweite Jah-
reszahl anders geheißen hat. Gurt Glaser scheint
mir vollkommen richtig erkannt zu haben, daß die
Apostel des Budapester Marientodes erst nach dem
Afra-Altar gemalt sein müssen. Das beweist schon
die viel größere Plastik der Erscheinung und die
freiere Anordnung der einzelnen Figuren, das be-
weist aber auch der Typus der Maria und die Art
der Lage ihres Kopftuches. Dieser Typus ist schär-
fer und bestimmter als der der Mariengestalt des
Baseler Bildes und wird in dieser Form später
noch häußg von Holbein verwendet. Wenn der
Afra-Altar sich noch ganz in der Richtung der
schwäbisch-augsburgischen Tradition bewegt, so

sind bei dem Budapester Gemälde wohl schon an-
dere Eindrücke, etwa von der mittelrheinischen
Kunst her, verarbeitet.
Das Auffallendste bei einem Vergleich dieser bei-
den frühen Darstellungen des Todes Mariae ist die
vollkommene ikonographische Verschiedenheit der
beiden Bilder. Gerade im XV. Jahrhundert — erst
Dürer hat ganz mit dieser Konvention gebrochen
— pflegten die Maler bei der wiederholten Darstel-
lung eines und desselben Themas dem einmal er-
wählten ikonographischen Schema treu zu bleiben
und es nur in den Einzelheiten zu variieren. Für
einen jungen, verschiedenen Einflußsphären unter-
worfenen Künstler aber ist das Tasten nach dem
ihm adäquaten Bildgedanken charakteristisch.
Holbein hat mit Recht die Lösung seiner Marien-
toddarstellung auf dem Afraaltar als unbefriedigend
empfunden. Der durch den Auftrag gegebene
Wechsel des Formates mochte ihn in der Absicht
bestärken, die Komposition von Grund auf neu zu
gestalten. Nach der niederländischen Reise begeg-
nen wir in Holbeins Werk einem ähnlichen jähen
Wechsel des ikonographischen Schemas kaum
mehr. Ja wir können sogar verfolgen, wie häufig
ein und derselbe Bildgedanke, der sich vielfach
letzten Endes auf ein niederländisches Vorbild zu-
rückführen läßt, immer wieder variiert und den
merkwürdigsten Formaten angepaßt wird. Die
Grundideen der Komposition werden bei den ver-
schiedenen Darstellungen des Themas nur mehr
selten verlassen.
Holbein scheint, soweit das spärlich erhaltene Ma-
terial an Zeichnungen des XV. Jahrhunderts einen
Schluß zuläßt, der erste Künstler nördlich der Al-
pen gewesen zu sein, der verschiedene seiner Ge-
mälde in bald mehr bald weniger genau durchge-
führten Kompositionszeichnungen vorbereitete.
Solche Vorzeichnungen dienten offenbar nur dem
Künstler selbst, der sich über die Gesamtanordnung
klar werden wollte. In der Strichführung und der
Formengebung der Figuren wirkt in diesen Blät-

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