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Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0212

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WALTER HUGELSHOFER. EIN SCHMERZENSMANN DES
ALTEREN HOLREIN.

Trotzdem der nebenstehend abgebildete Schmer-
zensmann (Abb. 137) seit 1898 im Schweizerischen
Landesmnseum in Zürich als Werk des älteren
Holbein allgemein zugänglich ist, hat das Bild
kaum Beachtung gefunden in der Literatur. Zuerst
wurde es von H. A. Schmid in seiner Rezension des
Glaserschen Holbein-Buches erwähnt. Dann blieb
es stille, bis es 1921 auf der Ausstellung alter Schwei-
zer Kunst im Zürcher Kunsthaus bei besserer Be-
leuchtung mehr Anteilnahme fand. In Glasers Ar-
tikel in Thieme-Beckers Künstlerlexikon fand es
nun Aufnahme in der Reihe der eigenhändigen
Werke des älteren Holbein.
Die Zuschreibung konnte nie Anlaß zu Zweifeln
erregen. Es ist ein einwandfreies, wohlerhaltenes
Bild. Es mißt 115 : 55 cm. Der Malgrund ist wei-
ches Holz. Der Erhaltungszustand ist gut. Von
nennenswerten Übermalungen kann nicht die Rede
sein. Ein trübgewordener Eirnis behindert etwas
den farbigen Gesamteindruck. Ein bräunlicher,
warmer Ton hält die wenigen Farben schön zu-
sammen. Der Alantei ist dunkel weinrot. Der
Schurz zeigt das Holbein eigentümliche ins grün-
liche spielende Weiß. Auch die Schatten des Inkar-
nats gehen in einen bläulichgrünen Ton.DieMauer
hinten ist gelbbraun, die architektonische Umrah-
mung steinfarben. Der Farbauftrag ist dünn, so
daß stellenweise die Vorzeichnung durchschim-
mert.
Einer alten Tradition zufolge soll das Bild aus dem
Benediktinerkloster Rheinau, unterhalb Schaff-
hausen, stammen. Soweit sich dies heute noch zu-

rückverfolgen läßt, scheint sie recht zu haben. Lei-
der bieten die beiden AA^appen bisher trotz ernstli-
chen Bemühungen von verschiedenen Seiten nicht
die erwünschten Anhaltspunkte, da ihre Identifi-
kation noch nicht gelungen ist. Die Zeichnung des
linken ist schwarz auf weißem Grund; das rechte
zeigt über rotem Grund einen schwarzen Quer-
balken mit drei weißen, innen gelben Rosen. Die
Herkunft aus Rheinau legt es nahe, daran zu den-
ken, daß man es mit einem AA^erk der Spätzeit, da
Holbein in Isenheim weilte, zu tun habe und daß
es rheinaufwärts nach Rheinau kam. Dem wider-
spricht aber der stilistische Eindruck. Der Zürcher
Schmerzensmann muß wesentlich früher, kurz
nach 1500 entstanden sein. Ähnliche Umrahmun-
gen finden sich auf dem Kaisheimer Altar, ähn-
liche Faltenanordnungen auf den Augsburger Pas-
sionstafeln. Ebenso weist der Christustypus in
diese Jahre. Auch die AA^appen sind wohl als Al-
lianzwappen zu deuten, so daß es nahe liegt anzu-
nehmen, das Bild sei nicht für Rheinau bestimmt
gewesen, sondern erst später, wohl in nachrefor-
matorischer Zeit dahin gekommen. Ich vermute,
daß es sich ursprünglich um die Stiftung eines
Ehepaares aus der Augsburger Gegend handelt.
Dem ganzen Aufbau nach war die Tafel wohl
alleinstehend aufgehängt, vielleicht an einem Kir-
chenpfeiler dem Eingang gegenüber. Sie hat den
Sinn eines AVandgemäldes: gerade so steht der
Schmerzensmann auf der schmalen Bühne vor der
Alauerwand, ein schmerzlich-schönes Bild des Lei-
dens.

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