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Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0179

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LUDWIG BALDASS. NIEDERLÄNDISCHE BILDGEDANKEN
IM WERKE DES ALTEREN HANS HOLBEIN.

In sämtlichen deutschen Landstrichen, von Köln
bis Wien, von Colmar bis Lübeck war um 1470 die
deutsche Kunst durchsetzt mit niederländischen
Bildgedanken, die sich zumeist auf Rogier van der
Weyden und auf seinen bedeutendsten Schüler
Dirk Bouts zurückverfolgen lassen. Von der Kunst
der eigentlichen Schulgründer, Jan van Eycks und
des Meisters von Flemalle, die vor der Jahrhun-
dertmitte Stephan Lochner, den Meister der Darm-
städter Passion und Konrad Witz inspiriert haben,
ist in die deutsche Malerei der zweiten Jahrhun-
derthälfte wenig übergegangen. Es war letzten
Endes doch immer das Gleichzeitige, was den
stärksten Eindruck hervorrief. Außerdem ist es
für die Wesensart der deutschen Kunst bezeich-
nend, daß die großen Stilisten den nachhaltend-
sten Einfluß ausübten, daß es also nicht der nie-
derländische Naturalismus war, der die deutschen
Maler anlockte. Um 1480 war die Aufnahme nie-
derländischer Vorbilder im Wesentlichen beendet.
Die neue in Flandern entsprossene Auffassung der
Natur, die neue Räumlichkeit hatten sich allge-
mein durchgesetzt, Rogiers symmetrisches und
Bouts' freier räumliches Kompositionsschema wa-
ren überall bekannt. Schon vom Ende der sech-
ziger Jahre an war es nicht mehr nötig, die nieder-
ländische Kunst an der Quelle zu studieren. Ihre
Kunsttendenzen wurden auch in den Werkstätten
von Nürnberg oder von Ulm gelehrt. Schongauers
frühe graphische Kompositionen verbreiteten sie
über ganz Deutschland. Der Zug nach den Nieder-
landen, der im dritten Viertel des XV. Jahrhun-
derts alle deutschen Maler von Rang ergriffen
hatte, nahm nun sichtlich ab.

Die gegen Ende des Jahrhunderts eingetretene Sät-
tigung macht sich auf verschiedene Weise geltend.
Der Hauptvertreter der niederländischen Kunst
richtungen in Deutschland, Martin Schongauer, hat
in seinen späten Kupferstichen die wichtigste Er-
rungenschaft seiner Frühzeit, die reine Bildmäßig-
keit des graphischen Blattes aufgegeben und einen
höchst persönlichen Stil ausgebildet, der spätgo-
tisch ist, wie nichts in den Niederlanden und am
ehesten in der gleichzeitigen deutschen Plastik
seine Parallelen findet.Der Meister des Hausbuchs,
dessen Jugendwerke einer früheren Stilstufe ange-
hören als die ersten Kompositionen Schongauers,
ist zwar gleichfalls durch die offenbar von Schon-
gauer vermittelte niederländische Schulung hin-
durchgegangen, hat sich aber stets eine größere
Eigenwilligkeit und Ursprünglichkeit der Erfin-
dung und Gestaltung gewahrt. Er hat schließlich
die spätgotische Richtung von Schongauers letz-
tem Stil im malerischen Sinne weitergeführt. Da
er Schongauer um mehr als anderthalb Jahrzehnte
überlebt, tritt in seinen letzten Werken eine allge-
meine Beruhigung ein, die dem Stil um die Jahr
hundertwende entspricht. Bei den Künstlern aber,
die der Hauptsache nach Maler und nicht Kupfer-
stecher waren — obwohl die Graphiker zweifellos
im letzten Drittel des Jahrhunderts die führende
Rolle innehaben — können wir zwei voneinander
verschiedene Erscheinungen beobachten, die aber
beide dem gemeinsamen Wunsche entspringen, ein
Mehr an Ausdruck zu geben. Dieses Mehr wird
auf der einen Seite durch Vereinfachung, auf der
anderen durch Häufung und Übertreibung der
Kunstmittel erzielt. Künstler wie Rueland Frue-

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