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Buchner, Ernst [Editor]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0434

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PHILIPP MARIA HALM. DIE WIEDERHERSTELLUNG DER
FUGGERKAPELLE REt ST. ANNA IN AUGSBURG.

Meine Untersuchungen über den ehemaligen bau-
lichen Bestand der Fuggerkapehe hei St. Anna in
Augsburg und ihre künstlerische Ausstattung be-
stimmten Seine Durchlaucht Fürst Carl Ernst
Fugger zu Glött, die Kapelle wieder in Stand zu
setzen oder, um es genauer und umfassender aus-
zudrücken, sie nach Maßgabe des Möglichen in
ihrer alten Erscheinung wiederherzustellen/)
Rekonstruktionen von Bauwerken begegneten mit
Recht stets den größten Bedenken, um so mehr
dann, wenn die sachlichen Voraussetzungen uiul
Grundlagen für eine genaue, dem ursprünglichen
Zustande entsprechende Durchführung mangel-
ten, vor allem aber, wenn die Rekonstruktion
lediglich um ihrer seihst willen in Szene gesetzt
wurde. Beide Einwände können m. E. im vor-
liegenden Falle nicht erhoben werden. Nicht so
sehr der Umstand, daß die beiden Zeichnungen,
die des Monogrammisten S. L. aus dem Anfang
des 16. Jahrhunderts, die wir als ursprünglichen
Entwurf ansprechen dürfen, wie die des Kupfer-
stechers J. Weidner, die den Zustand der Kapelle
im 17. Jahrhundert wiedergibt, genügende Unter-
lagen boten, als vielmehr das günstige Geschick,
daß die bildnerische Ausstattung der Kapelle —
das Chorgestüh! ausgenommen — sich fast liik-
kenlos wieder auffand, ließen den Gedanken ihrer
Wiederherstellung aufdämmern.") Lag es ja doch
auch so nahe, die vielenorts verstreuten Bildwerke,
dieUnverstand und mangelndePietät ilnemkünst-

lerischen Nährboden und ihrem gesetzmäßigen
Zusammenhang entrissen und ihres logischen Le-
hens beraubt hatten, dem alten organischen Zu-
sammenhänge zurückzugehen und ihnen damit
wieder zu ihrer ursprünglichen Wirkung zu ver-
helfen. Diesem Gedanken kam die Notwendigkeit
entgegen, die Kapelle aus ihrem eigenen unwürdi-
gen Zustande zu befreien. Der brutale Abbruch
der Schranke und des Altars zu Beginn des 19.
Jahrhunderts hatte sie jeder räumlichen Begren-
zung und damit jedes tektonischen Haltes beraubt;
es fehlte ihr seitdem jede Geschlossenheit und Ab-
rundung. Wie ich schon andernorts betont habe,
war die feierliche Vornehmheit, mit der sich der
Fuggerchor gegen die Schlichtheit der alten Men-
dikantenkirche abhob, durch die aufdringlichen
Akkorde des Rokokoumbaues in das umgekehrte
Verhältnis gewandelt worden. Das trat nun noch
mehr in die Erscheinung. Der Blick verlief sich
aus dem Mittelschiff mit seinen reich bewegten
Formen und den starken Farbenakzenten des 18.
Jahrhunderts ohne jegliche Hemmung in die vor-
nehm zurücktretende Schöpfung der Renaissance,
die zudem durch den jahrzehntelangen Staub und
die mangelnde Pflege des Marmors in Unansehn-
lichkeit versunken war. Dazu kam die Skrupel-
losigkeit, mit der man im 17. Jahrhundert die
Empore des Langhauses an den linken Frontpfei-
ler der Kapelle hatte anschneiden lassen und im
18. Jahrhundert an Stelle der köstlichen Ghor-
stiihle die schwächlichen Blendarkaden zu beiden
Seiten der Kapelle aufgeführt und die brutale
Dreistigkeit, mit der man das traurige Machwerk
des Altares mit seinen gußeisernen Zieraten mitten

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