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Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0404

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WALTER HUGELSHOEER. ZEICHNUNGEN AUS JÖRG
BREUS FRÜHZEtT.

Zwischen den Zeichnungen des Zürcher Kunst-
tiauses hegt als alter Bestand unter dem Namen
Altdoriers die beistehend abgebildete Verlobung
der Hl. Katharina (Abb.282).Sie mißt 2()2:140nnn.
Das vergilbte, z. T. fleckig gewordene Papier zeigt
als Wasserzeichen einen gotischen Becher. Der Fe-
derstrich ist bläulichgrau. Die Schatten, der Hei-
ligenschein der Madonna (die beiden anderen feh-
len), die Quaderung der Mauer links sind hlaugrau
und gelbbraun laviert. Die Fleischteile, besonders
die Lippen, auch die Kissenquaste und die Häuser
am See hinten sind rötlich markiert. Der Strich ist
befangen und unsicher,oftmals ahsetzend und kor-
rigierend. Die Faltenbehandlung erscheint sche-
matisch — man glaubt hier einen Künstler an der
Arbeit zu sehen, der noch nicht sicher auf eigenen
Füßen stand.
Mir scheint, daß die Zeichnung von Jörg Breu
stamme und in dessen Frühzeit kurz nach 1500 ge-
höre. Ich muß gestehen, daß ich wenig äußere
Gründe oder Beweise, kaum Anhaltspunkte für
diese rein gefühlsmäßige Bestimmung habe.Trotz-
dem wage ich zu hoffen, daß sie sich mit zu-
nehmender Kenntnis von Breus Frühzeit bestäti-
gen wird. Zuerst frappierte mich eine gewisse
Ähnlichkeit des Gefühlsausdruckes im Haupt der
Madonna mit der signierten Berliner Zeichnung
von 1519. Ich glaube in beiden Köpfen die näm-
liche, etwas gezierte, äußerliche Liebenswürdig-
keit zu verspüren. Eine schwäbisch gesunde, ein-
fache Sinnenfreude scheint mir unverkennbar zu
sein, eine Freude am Reichen. Prächtigen, Festli-
chen. wie sie gerade für Augsburg wohl paßt. Mit

unzureichenden Mitteln wird ein malerischer Aus-
druck erstrebt. Die Zeichnung wirkt unkörper-
lich: das Schwert, das Kissen haben kein Gewicht.
Die Lagerung der Körperteile bleibt unklar. Neben
einer gewissen gesuchten Eleganz (linke Hand.
Kopfputz, unmotivierte Entblößung der Schulter
der 111. Katharina) wirkt anderes wie der Kinder-
akt, die Linke der Madonna eher plump und unge-
schickt. Da verrät sich die derbere Anlage des
Meisters. Mit allen Mitteln wird versucht, das Blatt
zu reicher Wirkung zu bringen: farbige Tönung,
landschaftlicher Hintergrund, Tracht und Ge-
sichtsausdruck. Nicht zuletzt aber ist der erfreu-
liche Eindruck der glücklichen, geschlossenen
Dreieckskomposition zu danken, die nicht ohne
Einwirkung Dürerscher Graphik, wie der Madonna
mit der Meerkatze B 42 oder der Hl. Familie mit
den drei Hasen B 102, zustandegekommen sein
wird, ln der eigentümlich schwankenden Art der
Faltenbehandlung sind vielleicht (worauf mich E.
v. Meyenburg aufmerksam macht) Einwirkungen
der Stiche des Münchner Goldschmieds Matthäus
Zasinger erkenntlich. Vorbildlich für die Gesamt-
wirkung war wohl Burgkmair, was besonders in
der Hl. Katharina zum Ausdruck kommt. Alle diese
Elemente scheinen mir z. T. typisch für Breu, z.
T. auf ihn besonders gut passend. Madonna und
Kind finden sich ähnlich in Frühwerken Breus;
es sei nur auf das Weihnachtsbild in Herzogen-
burg und auf das Ghristkind des Christophorus in
Melk hingewiesen. Eine übereinstimmende Fal-
tenbehandlung ist ebenfalls bei diesen frühen
Altarbildern zu finden: knittrige Binnenmodellie-

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