Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0021

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ERNST BÜCHNER. DIE AUGSBURGER TAFEUMALEREI
DER SPÄTGOTIK.

Auf welchen entwicklungsgeschichtlichen Vor-
/A aussetzungen beruht die reiche und glanz-
volle Entfaltung der Augsburger Malerei zur Zeit
der Renaissance? Was heißt Augsburger Malerei
des 15. Jahrhunderts? Sind aus dieser Zeit wirklich
nur ein paar vereinzelnte Bildtafeln Augsburger
Herkunft erhalten, wie es nach den Handbüchern
und Kunstgeschichten scheinen mag? Eine Ant-
wort erschwert die unsichere und unklare Situa-
tion, in der sich die Erforschung der spätgoti-
schen Malerei in Schwaben — und nicht nur in
Schwaben — befindet. Spärlich sind historische
Anhaltspunkte und gesicherte Herkunftsangaben
vorhanden. Sie sind naturgemäß unentbehrlich,
sonst hängt alles in der Luft. Aber die Hauptarbeit
hat das Auge zu leisten. Man traut ihm zwar nicht
über den Weg und weist mitleidig und überlegen
auf die vielen Irrfahrten der Forschung hin. Jedoch
— die Stilkritik in Mißkredit bringen, weil so viel
daneben gesehen wird, heißt: ein edles Instrument
schlecht machen, weil es so oft mißbraucht wird.
Es ist nicht so, daß der Forscher hilflos einem
unendlichen, zusammenhanglosen Aggregat von
Kunstwerken gegenübersteht; denn das Material
selbst ist ja von Menschen geschaffen, ist organisch
gewachsen, sinnvoll gegliedert und hat persönliche
Gestalt; — es gilt nur einen möglichst erschöpfen-
den Überblick über das erhaltene Kunstgut zu ge-
winnen und unser Aufnahme-und Unterscheidungs-
vermögen so zu schärfen und zu verfeinern, daß
wir das individuelle Gesetz, dem jedes Kunstwerk
gehorcht, zu erkennen vermögen. Es ist heute nicht
überflüssig, dies auszusprechen, denn der Skepti-
zismus sucht hartnäckig den Lebensnerv kunsthi-
storischer Erkenntnis, die Kraft und die Möglich-
keit zum richtigen, wesenerfassenden Sehen, zu läh-

men. So viele Fehltritte und Irrgänge der Forscher
tun mag, die Gewißheit, daß ein Festes und Gesetz-
liches im Stoff selbst gegeben ist, das bis zu einem
gewissen Grad erfaßt und aufgezeigt werden kann,
gibt ihm den Mut zur Arbeit. Aus dieser Überzeu-
gung heraus ist die folgende Arbeit entstanden/)
Es wäre merkwürdig, wenn angesichts der wach-
senden Bedeutung des kraftvoll sich entwickelnden
Gemeinwesens und der zahlreich überlieferten Ma-
lernamen im Augsburg des 15. Jahrhunderts nur
eine provinzielle und rückständige Malerschule am
Werk gewesen wäre. Ist es schon schwer zu glau-
ben, daß sich Miniaturmalerei und Holzschnitt, die
in Augsburg in der zweiten Jahrhunderthälfte be-
merkenswerte Leistungen zeitigten, ohne den An-
sporn und Rückhalt einer tüchtigen Malerschule
so fruchtbar entwickeln konnten, so ist es vollends
unwahrscheinlich, daß im Ausgang des Säkulums
urplötzlich eine Reihe namhafter Maler aus einem
künstlerisch spröden, traditionslosen Erdreich em-
porgeschossen sein sollte. Die Annahme von Zu-
wanderungen hilft nicht aus der Klemme, da für
eine Anzahl der bekannten Augsburger Malerfami-
lien für die Burgkmair, Apt, Breu, Beck, Furten-
nagel bodenständiges Augsburgertum verbürgt er-
scheint. Ich hoffe zeigen zu können, daß die Augs-
burger Malwerke des 15. Jahrhunderts den Ver-
gleich mit den Bildtafeln andrer oberdeutscher
Städte nicht zu scheuen brauchen und daß die
Blüte der Augsburger Holzschneidekunst in den
siebziger Jahren des Jahrhunderts mit durch die
Nähe einer den Stil der Holzschnitte merklich be-
einflussenden Malerwerkstatt bedingt ist.

1
 
Annotationen