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Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0403

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,,die unverständigen, groben vilzhuet, der keiner
nie kein buchstaben gelesen bat", Peutinger, die
Bürgermeister Bimel und Imholf wären ,,die grüß
ten heuchler", der verhaßte ImhotT gar ,,ein aufge-
blasener, holl'ertiger, reicher, gotloser, deuilischer
und geitziger Mann". Und immer wieder die auf-
reizenden Klagen über die Unterdrückung des
armen Mannes, das Messen mit zweierlei Maß, der
Mangel an evangelischem Geist. ,,0 wehe der bür-
gerlichen lieb und bruederlichen treu", ruft er —
und ,,Ja, die ballen, saifran, goldt und silber auf
wasser und landt betten, da war es umb Got aus",
oder ,,Armut mueß blagt sein", — ,,dem reichen
als dem reichen, dem armen, daß got erbarmen",
— ,,Es fahren kleine micklein [dahin], aber der
großen heubter [einer], die ins euangelion schissen
und ins testament und Paulum verspotten, der hat
mügen reden, was er will, er sei als wol ein Mensch
gewesen als wir". Kur hin und wieder erklingt ein
warm menschlicher Ton oder bricht ein wahres
evangelisches Empfinden durch, etwa bei der Er-
zählung des Martertods des Keutzinger Gerichts-
schreibers oder dem Nachruf auf Raimund Fugger,
,,der ain mechtiger, milter mann", ,,ain tugenthaf-
tiger herr" gewesen, ,,der seinen handtwercksleu-
ten essen und trincken geben und an seinen tisch
geladen". Das hat Breu, der viel für die Fugger ge-
arbeitet hat, wohl am eignen Leib erfahren. Selten
genug sind Sätze, wie: ,,Got leßt sein wort nit unter-
geen, wann es sten alle ding in seinem gwalt". Der
gehässige, höhnische Ton, die hämische Freude,
wenn es den ,,großen heuptern oder den pfaffen"
schlecht geht, die oft ungerechte, maßlose Kritik,
die nicht frei von Ressentiment und Engherzigkeit
ist, werfen starke Schatten auf das Charakterbild

Breus — und hier hat man das Analogon zu der
entseelten, ungef ühlten, schematisch und mit trock-
ner Schärfe charakterisierenden, plebejerhaft emp
fundenen Formgebung seiner späteren Werke.
Daß er nicht mehr mit dem Herzen dabei war,
wenn er in seinem Alter ein religiöses Bild zu
malen hatte, das
zeigt die unverhoh
lene Schadenfreude,
mit der er die Zer-
trümmerung der
,,Getzen"beschreibt.
Es wäre ungerecht,
die Schuld für die
sinkendeWertkurve
des Breuschen Le-
benswerks nur in
der Persönlichkeit
des Meisters zu su-
chen. — Nur die
überragenden, wur-
zelstarken Geister
konnten sich dem
tragischenSchicksal
der deutschen Re-
formations- und Re-
naissancekunst entgegenstemmen. Der Schar der
mittleren und kleinen Talente war, nach einem
bewundernswerten, die stolzesten Holfnungen wek-
kenden Beginn und einer kurzen Zeit glanzvoller
Entfaltung die schöpferische Kraft versiegt, wo-
rüber die geschickten, nicht selten reizvollen und
anregenden Lösungen einer formalistischen und
manieristischen Kunstübung nicht hinwegtäuschen
können.


Abb. 281. Jörg Breu, Selbst-
bildnis auf der „Himmelfahrt
Mariä" in St. Anna zu Augsburg

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