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Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0192
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er den Rahmen weniger eng um die Gestalten legte
und Mutter und Kind mit weichen gotischen Man-
telkurven umschloß*). Dieses gotische Element der
Linienführung tritt hier noch stärker als in der
Nürnberger Madonna von 1499 zutage. Eine
dunkle Farbenwahl der Gewänder und der rot-
punktierte goldene Hintergrund lassen den hellen
Schimmer der Fleischpartien doppelt hervortreten.
So tragen Farbengebung und Linienführung dazu
bei, den Kern der DarsteHung herauszuheben.
In dieser kleinen Madonna in Halbfigur ist das
spätgotische Ideal so rein verkörpert, daß darüber
hinaus kein Weg ollen stand. In der Tat läßt die
Konzeptionskraft bei den beiden wenig später ent-
standenen Madonnendarstellungen auf den Stamm-
bäumen des Frankfurter Altares vor 1501 nach.
Ungefähr gleichzeitig greift Holbein in einer zwei-
ten größeren Madonna im Nürnberger Germani-
schen Museum wieder auf die Baseler Federzeich-
nung zurück, nur daß die Engel die Madonna nur
mehr in der Luft umschweben. Das Gemälde ist
wohl kurz vor dem Kaisheimer Altar von 1502 ent-
standen. Die beiden weißen Könige der Epiphanie
dieses Werkes variieren, wie betont wurde, Figu-
ren der Holbein'schen Nachschöpfung des Mon-
fortealtares. Die frontal sitzende Madonna geht
aber auf Memling zurück und hat anscheinend in
der Maria des Madrider Dreikönigsaltares ihr Vor-
bild. Ein vollerer weicherer Typus verdrängt jetzt
den schlanken und spitzen der neunziger Jahre.
Während des ersten Jahrzehnts des neuen Jahr-
hunderts behält das Memling'sche Ideal für die
weiteren Madonnendarstellungen Holbeins seine
Geltung. In der stehenden Madonna mit dem Stif-
ter in der ehemaligen Sammlung Kaufmann in
Berlin wirkt es z. B. deutlich nach'). Am klarsten
aber zeigt diesen Einfluß ein bisher unbekannt ge-
*) Das ganz intakt erhaltene Bildchen zeigt an aiien vier Seiten das
Ende des originalen Maigrundes, so daß das Format authentisch das
originaie ist.
") Friediänder datiert im Versteigerungskatalog der Sammlung Kauf-
mann (Berlin 1917, II. Nr. 141) das Bild vielleicht ein v.cnig zu spät
um 1510.

bliebenes Halbfigurenbild (Abb.128,136), das 1925
für die Wiener Gemäldegalerie erworben werden
konnte. Die Provenienz des Stückes weist mit ziem-
licher Wahrscheinlichkeit auf das Kloster St. Bla-
sien im Schwarzwald.
Die Jungfrau, die ein graugoldenes Brokatkleid
und einen blauen Mantel trägt, hält mit ihrer Lin-
ken das auf einem roten Polster aufruhende Kind
und reicht ihm mit der Rechten einen geöffneten
Granatapfel; der Polster ruht auf einer grauen
Steinbrüstung, auf der links noch eine kugelige,
gelbbraune Vase mit roten, weißen und gelben Blu-
men steht. Die Kugeln des Rosenkranzes, dessen
Ende das Kind in der Linken hält, sind kirschrot.
Ein grün in grün gemusterter Brokatstoff schließt
die Darstellung ab. Das im Wesentlichen sehr gut
erhaltene Gemälde ist reich an malerischen Fein-
heiten. Ein schwarzer, mit Perlen und goldgefaß-
ten bunten Steinen abwechselnd besetzter Stirnreif
hebt den Glanz der goldenen, in engen Wellen her-
abfließenden Haare. Ein aus ähnlich gefaßten, nur
größeren Steinen und Perlen zusammengesetzter
Schmuck ziert die Brust. In dem hellrosafarbenen
Inkarnat der Madonna gibt der kirschrote Mund
einen stärkeren Akzent ab. Der reiche koloristische
Eindruck war dem Künstler olfenbar Hauptsache.
Über die ganze Fläche sind glitzernde Dinge, Per-
len und Schmuckstücke verstreut und der Mantel-
saum ist mit einer lichten Stickerei eingefaßt. Am
Körper des Kindes und an den Händen der Mutter
sind störende Verzeichnungen festzustellen, die
aber den eigentümlichen Reiz des Gesamteindruk-
kes nicht beeinträchtigen können.
Die Art, wie das Kind gelagert ist und das Motiv,
daß die Mutter ihm eine Frucht überreicht, geht
wieder auf Memling zurück; man vergleiche seine
frühe Madonna in der ehemaligen Sammlung
Kaufmann und die beiden 1487 datierten in Brügge
und Berlin. Eine sehr verwandte, aber nicht abso-
lut identische Handstellung zeigt eine Silberstift-
zeichnung Holbeins in der Wiener Albertina (Ab-

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