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Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0274
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186). In hauchfeinen, wie von duftigem Nebel-
schleier verhängten Oliv- und Lauhtönen erklingt
das weiche Melos der Landschaft. Perlsäume dunk-
lerer Tupfen umziehen die helleren Baumkronen,
machen sie körperlos, verleihen der Landschaft
eine schwebende Ornamentik. Die fester und deut-
licher schaubaren Figuren leuchten darin wie Edel-
steine. Köstlich wie Goldschmiedewerk ist die Ma-
lerei, von lauterem Reiz der Linie und Farbe. Die
Geschichte Johannis und die Passion sind noch
nicht so weit vorgeschritten^). Größer und schwe-
rer sind die Gestalten, an Bedeutung die Land-
schaft überwiegend. Immerhin ist die Täuferpre-
digt (Abb. 187) mit dem Laubwald im Hinter-
grund eine deutlicheVorhereitung der Landschafts-
visionen der Leopoldslegende. Und auf der Golga-
thatafel (Abb. 190) glüht hinter Felsgeklüft und
bleigrauem Gewölk ein Sonnenuntergang in Rot
und Gold, der wie eine Vorahnung von Altdorfers
St. Florianer Altar anmutet.
Zarte Baumrispen erheben sich auf den Bildchen.
Klare, leuchtende Farbenflächen stoßen aneinan-
der, Linien und Konturen sind von elastischer
Spannung erfüllt. Flache Kurven gehen durch die
Landschaft. Es sind Momente, die wir auf Breus
Ilerzogenburger Altar antreffen, der näher als der
Zwettler dem gleichzeitigen Werk Frueaufs steht.
Frueauf hat lange gelebt. Auf dieser Höhe hat sich
der Künstler kaum gehalten. Der schmale Zcitgrat
der Jahrhundertwende hat die Offenbarung eines
so ganz persönlichen, aus alter Tradition ent-
sprungenen Kunstwollens, wie es in den Kloster-
neuburger Altarfolgen sich ausspricht, ermöglicht.
Das von Suida^) festgestellte, etwas jüngere Wie-
ner Neustadt Votivbild (1508) zeigt ihn noch auf
und Passionsaltar in und für Klosterneuburg entstand — das lehren
die Veduten der Hintergründe —, von diesem durch ein so großes Zeit-
intervai] getrennt ist.
i) Sie sind noch im 15. Jahrhundert entstanden, wie Suida konstatierte.
Auf der Oibergtafei ist 14 . . zu iesen.
-) a. a. 0. I 22.

der alten Höhe, ruhiger und feierticher geworden
durch den Vertikalismus liguraler und räumlicher
Komposition in einem ähnlichen Sinne wie Breu
im Melker Altar. Später ist er wohl in der allge-
meinen Bewegung untergegangen.
Wichtiger für unsere Aufgabe ist es, die Entwick-
lung des Künstlers nach rückwärts zu verfolgen.
Die Klosterneuburger Galerie bewahrt eine Kreu-
zigung, die unverkennbar ein Werk von der glei-
chen Hand wie die Altarfolgen ist, nur einer frü-
heren Stilstufe angehörig (Abb. 188)'5- Es ist die
gleiche kostbare Malweise, das gleiche Emplinden
für Klang der Farbe und Linie — wie aus edler
Materie geschmiedet oder gebosselt —; wir finden
die gleichen Typen der Figuren, die gleichenRhyth-
men der Landschaft. Komposition und Formen
aber sind altertümlicher, das Temperament des
Malers ist nicht so ruhig und abgeklärt wie in den
Zyklen. Bei aller Sorgfalt der Malerei geht durch
Linien und Formen ein stärker kreisender und wo-
gender Schwung. Unruhiger, phantastischer, be-
wegter ist das Bild. Tief, ohne Hals sitzen die rund-
lichen Köpfe zwischen den Schultern. Mäntel, Pfer-
dehälse, Schilde, Helme ziehen schwingende Kur-
ven wie Türkensäbel, die in Geländewellen und
Bergzügen groß ausschwingen,in den gekrümmten
Schächern der Kreuzigungsgruppe wie Flammen
hochschlagen. Wir brauchen nicht nach Bayern
zu gehen, um geistesverwandte Vorläufer der Ber-
liner Schächcrzeichnungen und der frühen Holz-
schnittkreuzigungen Cranachs zu linden. Das Mo-
tiv des sich überschlagenden bösen Schächers des
früheren Schnittes haben wir schon lneU). Hier
haben wir auch all die Wildheit, Phantastik und
Unruhe der Vorstellung, nur noch gebunden in
quattrocentistischer Sorgfalt und Behutsamkeit
furth).

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