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Buchner, Ernst [Editor]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0488
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einigen Bauten zuzutreffen, doch die unmittelbaren
Ableger geben die Nachfolge auf: Die bayerische
Gruppe z.B. wandelt unter dem Einfluß der boden-
ständigen Architektur die Rundpfeiler der für sie
bedeutsamen Regensburger Minoritenkirche in
kreuzförmige Pfeiler und gliedert die Ober wand
des Mittelschiffes durch Lisenen (Seite 64), Bil-
dungen einer strengeren Formgebung, die von den
Bettelorden sonst zugunsten einer lockeren und be-
scheideneren Gestaltung gemieden werden. Ein
ganz ähnliches Aussetzen der angeschlagenen Rich-
tung findet bei dem Langhausbau der Minoriten-
kirche in Bonn statt. Hier sitzen die Fenster des
Obergadens ,,auf einem Gesims, das nahezu in
Kämpferhöhe durchläuft" und werden dadurch
fest in die Fläche gebunden, ln der Kölner Mino-
ritenkirche war dieses Glied, das Krautheimer aus
der Zisterzienserarchitektur herleitet, bereits ge-
fallen, ebenfalls in der als Verbindungsglied wich-
tigen Benediktinerkirche in Tholey. Wenn dage-
gen manche anderen Formen ,,ins Spätgotische
umgesetzt" werden (,,die fraglichen Teile dürften
kaum vor 1340 liegen"), kommt eine Zwitterhal-
tung zu Tage, der man sich ungern entschließt,
eine besondere Bedeutung für die allgemeine Ar-
chitektur beizulegen. Aber an Hand der sein-
gründlichen Beobachtungen gelingt es Krauthei-
mer einige Momente aufzuzeigen, die über die Zeit
ihrer Entstehung hinausweisen. Er verfolgt sie bis
zur Mitte des 14. Jahrhunderts, ,,wei! nur bis da-
hin die Bettelordenskirchen als architektonischer
Sonderfall sich herausheben". Aber wenn auch
die Tendenzen der Bettelordensarchitektur in die
allgemeine Baukunst um und nach der Jahrhun-
dertmitte eingegliedert werden können, so ist da-
mit noch nicht nachgewiesen, daß dieBettelordens-
kirchen für die Entwicklung vorbildlich gewesen
sind. Z. B. läßt sich die von den Bettelorden er-
strebte Wandbetonung in der kirchlichen Bau-
kunst der deutschen Städte um 1350 in einer Stei-
gerung gegen das beginnende 14. Jahrhundert fest-

stellen, ohne daß eine wesentliche Einwirkung von
den Bettelorden ausgegangen wäre. Neben dem
Wunsch nach reicher Auflösung: Straßburg-Op-
penheim, schafft die Reduktionsgotik auf dem
Wege Freiburg um 1260 — Wimpfen im Ta! 1269
— gegen 1300, Reutlingen um 1300—1343, Nürn-
berg 2. Viertel 14. Jahrhundert, eine Ausbildung
von Wand werten, die den Errungenschaften der
Bettelorden in der Behandlung der großen Mauer-
flächen des Mittelschiffes entsprechen.Der Beweis,
daß gerade die Bettelorden der Entwicklung den
Weg gewiesen hätten, bleibt offen, die ungotischen
Faktoren in ihren frühen Kirchen rufen eher den
Eindruck hervor, als seien sie aus einer architekto-
nischen Schlaffheit geboren, welche längst ver-
gangene Raumelemente festhält und mit dem Stil-
empfinden der Zeit zu erfüllen versucht.
Gegen diese Ablehnung der Bedeutung der Bettel-
ordenskirchen für den Entwicklungsgang der Spät-
gotik scheint die von Krautheimer hervorgehobene
Tatsache zu sprechen, daß die Bettelorden sich
sehr früh entschlossen haben, die Betonung des
Kämpfers fallen zu lassen. Für die Ausscheidung
des Kapitells zwischen Diensten und Gewölben
nennt Krautheimer in dem systematischen Teil
seiner Arbeit (S. 31) den Chor der Dominikaner-
kirche in Ulm. In dem historischen Teil wird die-
ser Bau eingehender behandelt (S. 75): während
der Dienst am Beginn des Polygons noch eine
übergangsform zeigt, wird er im Polygon und im
Vorchor völlig verdrängt; ,.die Rippe läuft dort
bis zum Boden, hier bis zu einer Konsole in ein
Drittel Fensterhöhe". Mit dieser Umwandlung des
einfachen Runddienstes in das herabgeführte Rip-
penprofil wird zwar eine enge Zusammenziehung
von Gewölbe und Wand erreicht und die Behaup-
tung Krautheimers wäre gestützt, wenn er nicht
selbst dieses eine Beispiel durch die Tatsache ent-
werten müßte: ,,dem steht freilich entgegen, daß
gerade mit dieser Form ein Weg beschritten wird,
den die Bettelorden sonst meiden. Das Dienst

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