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Buchner, Ernst; Jantzen, Hans [Gefeierte Pers.]
Das deutsche Bildnis der Spätgotik und der frühen Dürerzeit: [Hans Jantzen zum 70. Geburtstag] — Berlin, 1953

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https://doi.org/10.11588/diglit.31127#0126
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FRANKEN-SACHSEN

136. FRÄNKISCHER (?) MEISTER UM 1460, Bildnis einer Dame mit dem Schwanenritter-Orden.

Läßt sich das früher irrtümlich dem Nürnberger Tuchermeister zugeschriebene Jünglingsbildnis (Abb.
45) nicht für Franken oder Nürnberg halten, so darf ein andres, nicht minder berühmtes Werk der
frühen deutschen Porträtmalerei, das eigenartige, rätselvolle und sagenumwobene Konterfei einerSchwa-
nenritterin (Sammlung Schloß Rohoncz, Abb. 136), das nun in der Tat dem Tuchermeister nahesteht, für
Franken in Anspruch genommen werden. Es stammt aus dem Benediktinerkloster Admont in der Steier-
mark und galt dort spätestens seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts als Bildnis der heiliggesprochenen
Hemma, der Stifterin der Klöster Gurk und Admont, die 1045 gestorben ist. Es wurde mit Recht be-
tont, daß der von dem Brandenburger Kurfürsten Friedrich II. auf dem Harlunger Berg gestiflete
Schwanenorden, dessen Privilegien 1460 von Albrecht Achilles kraft einer Bulle des Papstes Pius II.
auf die Gumbertuskirche in Ansbach ausgedehnt wurden, die Personengleichheit der dekorierten Dame
mit der seit über vier Jahrhunderten im Grabe liegenden heiligen Hemma schlechterdings ausschließt,
selbstverständlich auch die Annahme eines posthumen Ehrenbildnisses.

Die Tafel ist knapp, apart und reich gefügt. Kein Wunder, daß man sie zuweilen ein halbes Jahrhun-
dert zu spät datiert hat, obwohl die Tracht mit dem steifen, vernestelten Kragen für dieZeit um 1460
spricht, was mir Hans Buchheit bestätigt. Und auch der Stil spricht für die Jahre unmittelbar vor Ein-
bruch der niederländischen Einflußwoge, die einen durchgehenden Stilwandel innerhalb der deutschen
Malerei der Spätgotik bewirken sollte. Vor lichtblauem Grund, der unten ins Weißliche übergeht, der
starke Zweiklang von schimmerndem Weiß (Haube) und tiefem, saftigem Schwarz (Gewand); da-
zwischen das lichte Rosa des glatten Gesichts mit rötlichem Wangenanflug. Das etwas starre, puppen-
hafte Antlitz mit den großen, bläulichen Augen, der langen, flachen, unten pumpfigen Nase, dem un-
schönen Mund mit der schmalen Oberlippe, die fest auf die vorstehende Unterlippe gepreßt ist, und
dem langen, gekerbten Kinn wird, von den straffen Linien und Flächen der Haube gefaßt. Vom Ohr-
läppchen an schwingt sich der Saum der fein gerillten, ballonartig sich aufbuchtenden Haube über die
Stirn. Messerscharf hebt sich der senkrechte Halskontur von dem braunroten Haubenfortsatz ab.
Ebenso wird drüben die Wange scharf von dem dunklen Haubenschatten markiert. Oben knicken die
Haubentücher trapezartig nach unten, das lange linke fällt in herben, stockenden Faltenbildungen über
die Schultern zum rechten Unterarm nieder. Die Hände mit den zierlichen Fingern legen sich ähnlich
wie auf dem Münchner Frauenbildnis (Abb. 64) übereinander, die linke hält eine weißrote Nelke. Der
linke Ärmel ist mit silbrig schimmerndem, goldgelb und rötlich nüanciertem Perlwerk in Gestalt einer
reich sich entfaltenden Distelpflanze übersponnen. Die goldgelbe Ehrenkette des Schwanenritterordens
kommt auf dem samtschwarzen Fonds voll zur Geltung. An einigen Stellen (Haube, links und rechts
vom Gesicht) schimmert die blaue Vorzeichnung durch. Ohne daß die gleiche ausführende Hand anzu-
nehmen wäre, erinnern Eigentümlichkeiten der Augen und der Handstilisierung und vor allem der
schönen, perlmutterartigen Malerei des Inkarnats an die große Kunst des Nürnberger Meisters des
Tucheraltars. Liest man die Listen der Mitglieder der süddeutschen Zunge des Schwanenritterordens
durch, so fällt der überwältigende Anteil des fränkischen Adels auf. Da unser Bildnis auch in der
Form und Malweise Beziehungen zur Malerei des Tuchermeister-Kreises zeigt, darf die Dargestellte
zunächst im fränkischen Adel gesucht werden. Als Steiermärkerin wäre sie die Ausnahme. Der Bildnis-

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