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Bulle, Heinrich; Wirsing, Heinrich [Editor]
Untersuchungen an griechischen Theatern — München: Verl. d. Bayer. Akad. d. Wiss., 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.47070#0211
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VI. Absclilufi’(a. 246). — VII. Pinakes. Umbau? (a. 180). — Oberbau, Proskenion, Pfeilerhallen. 191
VII. Der Holzbedarf für Pinakes im Jahre 180, die letzte Kunde über die
delische Bühne (S. 180), belehrt uns nochmals über die Vergänglichkeit aller Holzteile,
wie sie uns an der Holzskene von 300 durch die Ausbesserungen von 282—279 und durch
ihre schon a. 274 notwendig gewordene völlige Erneuerung so deutlich geworden ist. —
Den Oberbau der delischen Steinskene, auf welchen fortan keinerlei Angaben
der Inschriften vor 269 zu beziehen sind, hat Vallois mit Hülfe erhaltener Bauteile we-
nigstens teilweise herzustellen versucht (Nouv. Arch. 22, 215; danach Navarre 72 Fg. 17),
jedoch ohne die kostbaren und entscheidenden Belegstücke steingerecht zu veröffentlichen.
Bevor diese wissenschaftliche Pflicht nicht erfüllt sein wird, ist eine eingehende Beurtei-
lung nicht möglich. Vallois’ Herstellungsversuch enthält wesentliche Züge der Fassade von
Segesta, nämlich an den Enden der Skenenwand je ein viertriglyphisches offenes dorisches
Joch mit Giebelabschluß in einer Gesamthöhe von etwa 5 in. Ferner nimmt Vallois über
diesem Hauptgeschoß fragweise (a. O. 217) ein kleineres Obergeschoß mit Halbsäulen an,
also ebenfalls wie in Segesta. Die Andeutungen jedoch, die er über den Mittelteil des
Hauptgeschosses gibt, sind in dieser Form keinesfalls haltbar. Er läßt zwei Gebälkstücke,
die nach Art der Tyromatakragsteine als Konsolen endigen, aus der Skenenwand nach
vorne gehen und unterstützt sie in ihrer Mitte durch Säulen. Zu einer solchen Anordnung
fehlt jede Möglichkeit im Grundriß. Sind es wirklich Thyromatagebälke, so könnten sie
nur längswärts in der Skenenwand liegen und man käme auf die Einfassung mindestens
einer Thyromaöffnung durch Vollsäulen. Das wäre eine bisher unbekannte, aber keines-
wegs undenkbare Sonderform, die ihrem Charakter nach zu der späten Vollsäulen-Skenen-
front von Magnesia (Abschn. 21) rücken würde. Mit einem etwaigen jüngeren Umbau könnte
auch die Erneuerung der Pinakes im Jahre 180 Zusammenhängen. Doch müßte zunächst
der Stilcharakter der Gebälkteile daraufhin geprüft werden. Die Verarbeitung der delischen
Skenenreste wird also jedenfalls noch Überraschungen bringen.
Das Steinproskenion ist durch die Halbsäulen in 11 hohe Rechteckfelder auf-
geteilt, die im Verhältnis zum Hauptgeschoß ein ausgesprochenes Sockelmotiv bedeuten
wie die in Felder geteilte ältere Logeionwand. Das delische Halbsäulenproskenion von 250
ist einstweilen das für uns älteste datierte.
Ein nur ihr eigentümlicher Zug der delischen Skene sind die auf den drei Außenseiten
umlaufenden Pfeilerhallen. Nach übereinstimmenden neueren Beobachtungen sind sie eine
jüngere Zutat aus sicher noch griechischer Zeit (v.Gerkan 100; Vallois Nouv. Arch. 22, 217;
Lehmann-Hartleben brieflich), also vielleicht aus der Periode des eben vermuteten Umbaus
von 180 v. C., womit sich alles von Puchstein (55) und anderen über ihre szenische Wich-
tigkeit vermutete erledigt. Vielmehr tritt der von Puchstein abgelehnte Gedanke in sein
Recht, daß es Schmuckhallen sind, durch die man die kahlen Seiten des Skenenbaus
erträglich machen wollte. Auch mochte diese umlaufende Galerie mit dem Ausblick auf
den großen offenen Platz hinter der Skene bestimmte Zwecke bei den Festfeiern erfüllen.
Wieder erscheinen nichtszenische und besondere örtliche Bedürfnisse bei der Ausgestaltung
eines Theatergebäudes wirksam.
Die Fülle der Zeugnisse über das delische Theater wird lehrreich vermehrt durch die
choregischen Inschriften, jährliche Aufzeichnungen der Archonten über die Choregen
sowie die aufgetretenen und die siegreichen Künstler aller Art (JG XI 2, 105 — 134; Dürr-
 
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