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Romanische Architektur.
Während des Baues reinigte sich der Stil. Wir dürfen z. B. an-
nehmen, dass die schon sehr gut gegliederte Galerie im Innern zu
den spätem Baugedanken gehört, ebenso ihre Aussenwand, welche
eine obere Pilasterordnung über den Wandbogen bildet.
Vollständiger spricht sich dann dieser gereinigte Stil im Bap-
tisterium aus, welches 1153 von Diotisalvi gegründet wurde. (Die
gothischen Zuthaten: Baldachine, Giebel, Spitzthürmehen sind erst im
14. Jahrh. hinzugekommen.) Man wird hier durchgängig die Formen-
bildung des Domes veredelt und vereinfacht wieder finden, die Bogen-
profile, die Mosaicirung der Füllungen u. s. w. Auch meldet sich an
der äussern Galerie wie im Innern vereinzelt das eigenthümlich roma-
nische Capitäl. Ganz besonders wichtig ist aber die Unterbrechung
nach jeder dritten Säule im Innern durch einen Pfeiler, und zwar im
oberen sowohl als im unteren Stockwerk, worin sich deutlich das Ver-
langen nach einem höhern baulichen Organismus ausdrückt. Ebenso
ist die hohe konische Innenkuppel nur eine ungeschickte Form für das
Bedürfniss nach einem leichten, strebenden Hochbau. — Die Schranken
um den Mittelraum und die Einfassung des Taufbeckens (von Guido
Bigarelli aus Como, 1246) zeigen, welch ein neues Leben auch inner-
halb der Decoration erwacht war, wie man auch hier sich von dem
blossen Mosaik mit Prachtsteinen losmachte zu Gunsten einer reinen
und bedeutenden plastischen Verzierung.
Seit 1174 bauten Wilhelm von Innspruch und Bonannus den
Campanile, den berühmten Schiefen Thurm. Hier ist die Glie-
derung des Details wieder um einen Grad einfacher und das roma-
nische Capitäl mit seiner derben Blätterbildung hat entschieden das
Uebergewioht vor dem römischen. Kunstverständige sollten nicht
versäumen, den Standpunkt aufzusuchen, von dem aus der Thurm
ungefähr gerade erscheint; denn der Oomposition nach ist dieses
einzige Gebäude eines der schönsten des Mittelalters. Das Prinzip der
Griechen, die Säulenhalle als belebten Ausdruck der Wand ringsum
zu führen, ist hier mit der grössten Kühnheit auf ein mehrstöckiges
Gebäude übertragen; es sind viel mehr als blosse Galerien, es ist eine
ideale Hülle, die den Thurm umschwebt und die in ihrer Art den-
selben Sieg über die Schwere des Stoffes ausspricht, wie die deutsch-
gothischen Thürme in der ihrigen.
Das reiche System dieser drei Bauten ist natürlich an den übrigen
Kirchen nur stellenweise durchgeführt oder auch nur in Andeutungen,
gleichsam im Auszug gegeben. Immer aber wirkt diese erste conse-
quente Erneuerung eines plastisch bedeutenden Architekturstils mit
grossem Nachdruck, und auch die kleinste dieser Kirchen zeigt deut-
lich, dass man diesen bezweckte. Bei den kleinern beschränkt sich
der Marmor auf die Fassaden; statt der Galerien kommen blosse
Wandbogen vor, aber auch da ist mit geringen Mitteln, z. B. mit dem
Romanische Architektur.
Während des Baues reinigte sich der Stil. Wir dürfen z. B. an-
nehmen, dass die schon sehr gut gegliederte Galerie im Innern zu
den spätem Baugedanken gehört, ebenso ihre Aussenwand, welche
eine obere Pilasterordnung über den Wandbogen bildet.
Vollständiger spricht sich dann dieser gereinigte Stil im Bap-
tisterium aus, welches 1153 von Diotisalvi gegründet wurde. (Die
gothischen Zuthaten: Baldachine, Giebel, Spitzthürmehen sind erst im
14. Jahrh. hinzugekommen.) Man wird hier durchgängig die Formen-
bildung des Domes veredelt und vereinfacht wieder finden, die Bogen-
profile, die Mosaicirung der Füllungen u. s. w. Auch meldet sich an
der äussern Galerie wie im Innern vereinzelt das eigenthümlich roma-
nische Capitäl. Ganz besonders wichtig ist aber die Unterbrechung
nach jeder dritten Säule im Innern durch einen Pfeiler, und zwar im
oberen sowohl als im unteren Stockwerk, worin sich deutlich das Ver-
langen nach einem höhern baulichen Organismus ausdrückt. Ebenso
ist die hohe konische Innenkuppel nur eine ungeschickte Form für das
Bedürfniss nach einem leichten, strebenden Hochbau. — Die Schranken
um den Mittelraum und die Einfassung des Taufbeckens (von Guido
Bigarelli aus Como, 1246) zeigen, welch ein neues Leben auch inner-
halb der Decoration erwacht war, wie man auch hier sich von dem
blossen Mosaik mit Prachtsteinen losmachte zu Gunsten einer reinen
und bedeutenden plastischen Verzierung.
Seit 1174 bauten Wilhelm von Innspruch und Bonannus den
Campanile, den berühmten Schiefen Thurm. Hier ist die Glie-
derung des Details wieder um einen Grad einfacher und das roma-
nische Capitäl mit seiner derben Blätterbildung hat entschieden das
Uebergewioht vor dem römischen. Kunstverständige sollten nicht
versäumen, den Standpunkt aufzusuchen, von dem aus der Thurm
ungefähr gerade erscheint; denn der Oomposition nach ist dieses
einzige Gebäude eines der schönsten des Mittelalters. Das Prinzip der
Griechen, die Säulenhalle als belebten Ausdruck der Wand ringsum
zu führen, ist hier mit der grössten Kühnheit auf ein mehrstöckiges
Gebäude übertragen; es sind viel mehr als blosse Galerien, es ist eine
ideale Hülle, die den Thurm umschwebt und die in ihrer Art den-
selben Sieg über die Schwere des Stoffes ausspricht, wie die deutsch-
gothischen Thürme in der ihrigen.
Das reiche System dieser drei Bauten ist natürlich an den übrigen
Kirchen nur stellenweise durchgeführt oder auch nur in Andeutungen,
gleichsam im Auszug gegeben. Immer aber wirkt diese erste conse-
quente Erneuerung eines plastisch bedeutenden Architekturstils mit
grossem Nachdruck, und auch die kleinste dieser Kirchen zeigt deut-
lich, dass man diesen bezweckte. Bei den kleinern beschränkt sich
der Marmor auf die Fassaden; statt der Galerien kommen blosse
Wandbogen vor, aber auch da ist mit geringen Mitteln, z. B. mit dem