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Burckhardt, Jacob; Bode, Wilhelm
Der Cicerone: eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens (Band 2,2): Mittelalter und Renaissance: Plastik und Malerei — Leipzig, 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.17369#0064
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Sculptur des 15. Jahrhunderts.

als ein leichtes und wirkungsvolles Mittel zur Decorirung architek-
tonischer Räume und behandelte diese dem entsprechend; seine
volle bildnerische Thätigkeit widmete er, wie seine grossen Zeitge-
nossen, der Darstellung in Marmor und Bronze, und in beiden Ma-
terialen hat er eine Reihe trefflicher Kunstwerke hervorgebracht,
nach denen seine künstlerische Bedeutung in erster Linie bemessen
werden muss. Demnach beruht die Berechtigung der Stellung, die
er unter seinen Zeitgenossen einnimmt, namentlich auf dem eigen-
artigen hohen Schönheitssinn, welcher seine Gestalten bei aller natu-
ralistischen Treue stets beseelt, und in der stilvollen Behandlung des
Reliefs, worin kein anderer Künstler der Renaissance ungesucht und
naiv den Griechen so nahe gekommen ist, wie grade Luca della
Robbia.

Gleich so vielen seiner grossen Zeitgenossen als Goldschmied
ausgebildet, wandte er sich schon jung der Plastik zu. Dass er da-
bei Ghiberti's Schöpfungen fleissig studirte, zugleich aber ein ebenso
offenes Auge und einen vielleicht noch empfänglicheren Sinn für die
grundverschiedene Richtung des Donatello hatte, beweisen seine
Werke hinlänglich.

Gleich das früheste uns bekannte Werk des Meisters, die welt-
berühmte Orgelbalustrade für den Dom von Florenz, jetzt im
aMuseo Nazionale, zeigt dies recht deutlich. Luca's Werk, für
welches er 1431 den Auftrag erhielt, stellt in zehn einzelnen Reliefs
Gruppen von Knaben und Mädchen verschiedenen Alters dar, welche
im Chore singen, auf verschiedenartigen Instrumenten spielen oder
im Reigentanze sich bewegen. Die Mannigfaltigkeit der Erfindung,
der Reichthum der Typen, die vollendete naturalistische Wiedergabe
im Ausdruck der jugendlichen Sänger und Musiker, je nach der
Stimme, die sie singen, oder nach dem Instrumente, das sie spielen,
die geschmackvolle, reiche,und doch so klare Anordnung, welche der
völlig classische Hochreliefstil ermöglicht, die vollendete Durchfüh-
rung der Marmorarbeit würde diesem Werke einen Platz unter den
Hauptwerken der Renaissance sichern, auch ohne die bestechende
Schönheit der Formen wie die Grazie der Bewegungen, welche das-
selbe zugleich zu einem Lieblinge des grossen Publikums machen,
im graden Gegensatze zu Donatello's Orgelrelief.

Luca war in den folgenden Jahren noch mehrfach gemeinsam
und in Concurrenz mit Donatello für den Dom thätig; von diesen
b Aufträgen sind jedoch nur zwei unfertige Reliefs im Museo
Nazionale erhalten, die Befreiung Petri und die Kreuzigung des-
selben, klare und lebensvolle Compositionen, welche namentlich in
der Gestalt des entfliehenden Apostels auffallend an Ghiberti er-
innern. Wie die Dombauverwaltung dazu kam, dem Luca eine
Arbeit, die ursprünglich dem Donatello übertragen war, anzuver-
 
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