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WERKSTATT MULTSCHERS
35. Hans Multscher: Ölberg. Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum.
dem Fels und den Baumkulissen, gleichsam einen Kreis schließen läßt, der die geweihte Stelle bezeichnet.
Die eindringliche Gebärde des Betens in Händen und Kopfhaltung ergibt dann einen Mittelpunkt, der unver-
geßlich bleibt. Man übersehe dabei weder die plumpen Überkletterungsversuche des Kriegsknechtes und
Judas’, noch das melodiöse Ornament der Mantelfalten Christi. — Eine Kreuzprobe und Kreuztragung des
Kaisers Heraklius im Besitz des Fürsten von Waldburg zu Wolfsee (Abb. 34) zeigen alle Merkmale Mult-
scherscher Kunst, wobei eine gewisse Dämpfung und Klärung für die spätere Ansetzung des Fragments
sprechen, dessen Rückseite eine Grablegung zeigt, die allerdings stark übermalt ist. Die Kreuztragung
ist trotz dem ähnlichen Thema ganz anders gelöst: hier ist es der Gegensatz einer turmreichen Stadt,
welche gegen eine Menschenmenge ausgespielt wird und auch die Funktion des Tragens ist mehr nach der
Seite der physischen Leistung hin betont. Das Thema scheint Multscher — durch die Fülle der Möglich-
keiten — besonders angesprochen zu haben. In der Weigelschen Sammlung befand sich eine Zeichnung,
die offenbar eine verschollene Komposition von einem anderen Typus wiedergab: der Augenpunkt war
höher genommen, das Gedränge noch lebhafter und überhaupt das Dramatische des Vorgangs noch mehr
unterstrichen.
Auch Multscher blieb ohne Nachfolge, zum mindesten ohne direkte. Der große
Dramatiker vermochte ebensowenig wie der Schilderer Witz schulbildend zu wirken. Das
Verhängnis des niederländischen Einflusses, der um die fünfziger Jahre sich durchsetzte, hat
beider Wirkung gleichsam fortgeschwemmt.
WERKSTATT MULTSCHERS
35. Hans Multscher: Ölberg. Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum.
dem Fels und den Baumkulissen, gleichsam einen Kreis schließen läßt, der die geweihte Stelle bezeichnet.
Die eindringliche Gebärde des Betens in Händen und Kopfhaltung ergibt dann einen Mittelpunkt, der unver-
geßlich bleibt. Man übersehe dabei weder die plumpen Überkletterungsversuche des Kriegsknechtes und
Judas’, noch das melodiöse Ornament der Mantelfalten Christi. — Eine Kreuzprobe und Kreuztragung des
Kaisers Heraklius im Besitz des Fürsten von Waldburg zu Wolfsee (Abb. 34) zeigen alle Merkmale Mult-
scherscher Kunst, wobei eine gewisse Dämpfung und Klärung für die spätere Ansetzung des Fragments
sprechen, dessen Rückseite eine Grablegung zeigt, die allerdings stark übermalt ist. Die Kreuztragung
ist trotz dem ähnlichen Thema ganz anders gelöst: hier ist es der Gegensatz einer turmreichen Stadt,
welche gegen eine Menschenmenge ausgespielt wird und auch die Funktion des Tragens ist mehr nach der
Seite der physischen Leistung hin betont. Das Thema scheint Multscher — durch die Fülle der Möglich-
keiten — besonders angesprochen zu haben. In der Weigelschen Sammlung befand sich eine Zeichnung,
die offenbar eine verschollene Komposition von einem anderen Typus wiedergab: der Augenpunkt war
höher genommen, das Gedränge noch lebhafter und überhaupt das Dramatische des Vorgangs noch mehr
unterstrichen.
Auch Multscher blieb ohne Nachfolge, zum mindesten ohne direkte. Der große
Dramatiker vermochte ebensowenig wie der Schilderer Witz schulbildend zu wirken. Das
Verhängnis des niederländischen Einflusses, der um die fünfziger Jahre sich durchsetzte, hat
beider Wirkung gleichsam fortgeschwemmt.