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Burger, Fritz; Schmitz, Hermann; Beth, Ignaz; Burger, Fritz [Contr.]; Schmitz, Hermann [Contr.]; Beth, Ignaz [Contr.]; Schmitz, Hermann [Contr.]; Beth, Ignaz [Contr.]
Die deutsche Malerei vom ausgehenden Mittelalter bis zum Ende der Renaissance (Band 3): Oberdeutschland im 15./16. Jahrhundert — Berlin-Neubabelsberg: Akad.Verl.-Ges. Athenaion, 1919

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.61917#0069
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BERLIN IN NÖRDLINGEN

547

Am stärksten hat den Einfluß
des Roger von der Weyden erfahren
Friedrich Berlin, geboren wahr-
scheinlich in Rothenburg o. T., tätig
von etwa 1459 bis an seinen Tod 1499
in Nördlingen, wo er Stadtmaler war.
Seine erste Arbeit ist ein 1459 da-
tierter Altar aus der S. Emmeram- oder
Gottesackerkirche in Nördlingen, von dem
Teile mit der Anbetung der Könige, einer
Szene aus dem Leben der hl. Ottilie und
einer Maria der Verkündigung in der Stadt-
galerie in Nördlingen sind, während eine
thronende Maria mit dem Kinde im Mün-
chener Nationalmuseum ist. Hier wird man
in den damaszierten Goldgründen und dem
ruhigen Faltenwurf und dem stillen Umriß
der Madonna noch Anklänge an die Stil-
richtung der älteren Schule, wie sie in dem
nur zwei Jahre früheren Sterzinger Altar
nachlebt, verspüren. Um 1460 muß Herlin
in den Niederlanden gewesen sein und
Rogers Werkstatt oder die eines seiner
Schüler aufgesucht haben. Sein nächstes
Werk, der im Jahre 1466 — also im Todes-
jahre des großen Niederländers — entstan-
dene Hochaltar der Jakobskirche in Nörd-
lingen zeigt die Kompositionen, die hage-
ren Gesichtstypen, die schwerbrüchigen
granatgemusterten Sammet- und Seiden-
stoffe des Roger verarbeitet. Im Mittel-
schrein sind die geschnitzten Passions-
gruppe und zwei Heilige auf jeder Seite
unter Baldachinen angebracht; auf den


60. Der Meister des Hausbuchs: Kalvarienberg, linke Hälfte.
Freiburg i. Br., Museum

Flügeln sind je vier Szenen aus dem Leben Christi gemalt: links Verkündigung, Heimsuchung, Geburt und
Beschneidung, rechts die Anbetung der hl. drei Könige, die Darstellung im Tempel und, zwei Felder füllend,
der Tod Mariä, rückseitig das Jüngste Gericht, Abendmahl und Fußwaschung. Als Frühwerk ist dieser
Altar kenntlich durch die noch gebundenen schwerfälligen Kompositionen, die flächenhaft dekorativ vor dem
damaszierten Goldgrund ohne viel Beiwerk und mit geringer Raumandeutung aufgereiht sind. Die geschnitzten
Figuren des Mittelschreines gehen noch enger mit der altschwäbischen Tradition zusammen; ihre rundlichen
untersetzten Formen und weichen Gewandfalten knüpfen deutlich an den Stil der Multscherschen Plastik
(vgl. z. B. die Madonna in Landsberg am Lech) an. Das zögernde Verhalten der Plastik gegenüber dem
eindringenden Naturalismus ist überhaupt bezeichnend. Im Schlußabsatz dieses Abschnittes wird in Kürze
die für die 2. H. des 15. Jhhs. in Schwaben stetig wiederkehrende Verbindung des geschnitzten Altarschreins
mit den gemalten Flügeln zusammenfassend betrachtet werden. Herlins Rothenburger Altar ist, sieht man
von dem zerstreuten Sterzinger Altar ab, einer der frühesten schönsten und vollständigsten Vertreter dieser
Gattung der Flügelaltäre. Kleinere Arbeiten Herlins aus der früheren Zeit sind u. a. eine Maria mit dem
Kinde und die hl. Barbara nebst Stifterfamilie von 1467 in der Blutkapelle der S. Jakobskirche in Rothen-
burg und zwei Tafeln mit der Gefangennahme und Dornenkrönung in der Stuttgarter Gemäldegalerie.
Erst in dem Altar der Blasiuskirche in Bopfingen von 1472 tritt uns Herlin als ein reifer Künstler
entgegen (Abb. 61,62). Hier erst finden sich trotz beibehaltener Kompositionen Rogers —wie der Geburt Christi
mit dem Kerze haltenden Joseph — die Grundzüge des oberdeutschen spätgotischen Naturalismus selb-
ständig ausgeprägt. Wieder bildet die Mitte ein Schrein mit Schnitzerei, die Statuen der Himmelskönigin
 
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