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Burger, Fritz; Schmitz, Hermann; Beth, Ignaz; Burger, Fritz [Contr.]; Schmitz, Hermann [Contr.]; Beth, Ignaz [Contr.]; Schmitz, Hermann [Contr.]; Beth, Ignaz [Contr.]
Die deutsche Malerei vom ausgehenden Mittelalter bis zum Ende der Renaissance (Band 3): Oberdeutschland im 15./16. Jahrhundert — Berlin-Neubabelsberg: Akad.Verl.-Ges. Athenaion, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.61917#0224
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674

DAS NACKTE BEI CRANACH. DIE ZEIT UM 1515

192. Lucas Cranach d. Ä.: Paris-Urteil. Kopenhagen, National-
museum


sehr einem eingeborenen urwüch-
sigen Ideal treugeblieben, wie Cra-
nach. Bei ihm bleibt das klassische
Schema nur an der Oberfläche
hängen: selbst seine nackten Frauen,
die Dianen und Junonen, Lukretia
und andere Römerinnen zeigen die
sch malschultrigen Körper mit hohen
kleinen Brüsten, tiefen Hüften, her-
ausgewölbten Bäuchen und tänzer-
haft gestellten kurzen Beinen der
Spätgotischen deutschen Weiber-
schönheit. (Vgl. z. B. auch die
Venus im Louvre 1529 und im
Städelschen Institut in Frankfurt
■1532, Adam und Eva in Braun-
schweig u. a. O.) Das wohlge-
kämmte rote Haar, die schiefen
Federhüte und der pikante Ketten-
halsschmuck lassen es nicht zwei-
felhaft, daß entkleidete heimische
Kurtisanen, nicht italienische Akt-
figuren, wie bei Dürer, Modell ge-
standen haben (Abb. 192). Paris,
Herkules und Simson tragen die
gutmütig biederen Züge, den breit-
geschorenen Bart und die Eisen-
rüstung Johanns des Beständigen
und Friedrichs des Großmütigen.

Ein bürgerlicher traulich herzlicher Ton durchzieht die Kunst des Cranach, auch die antiken
Stoffe; ganz wie der Meister selbst war. Anders als in den Handelsstädten Süddeutschlands
konnte in dem kleinen Wittenberg, in dem sandig flachen Bauernlande, der hohe strenge Stil
der Italiener keinen rechten Fuß fassen.
Um 1515 beginnt der Betrieb des Meisters bedeutenden Umfang anzunehmen. Am Anfang
überwiegen noch die Kirchenbilder. Die Verlobung der hl. Katharina in Wörlitz mit Friedrich
dem Weisen und Johann dem Beständigen auf den Flügeln 1516 (Abb. 189), köstliche Ma-
donnen (in Breslau, Glogau 1518, Darmstadt 1518, auf der Wartburg), Passionsbilder (Berlin
und Sanssouci), Altarbilder in der Zwickauer Katharinenkirche mit Friedrich dem Weisen
und Johann dem Beständigen, in Merseburg, in der Gottesackerkirche in Grimma mit der
Nikolauslegende usw., in der Marienkirche zu Halle für Kardinal Albrecht 1529 gemalt, ent-
stehen noch im Dienst des katholischen Glaubens. Die schönen Holzschnitte Cranachs zum

Wittenberger Heiligtumsbuch (um 1515 —20)-bestätigen den streng religiösen Geist, der da-
mals noch am Hofe Friedrichs des Weisen regierte. Für den Kardinal Albrecht, das Haupt
der katholischen Partei, sehen wir Cranach mehrfach tätig; er malt ihn als Hieronymus (in
Berlin und Darmstadt), und schildert ihn der Messe des hl. Gregor beiwohnend, in der Galerie
 
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