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Burger, Fritz; Schmitz, Hermann; Beth, Ignaz; Burger, Fritz [Mitarb.]; Schmitz, Hermann [Mitarb.]; Beth, Ignaz [Mitarb.]; Schmitz, Hermann [Mitarb.]; Beth, Ignaz [Mitarb.]
Die deutsche Malerei vom ausgehenden Mittelalter bis zum Ende der Renaissance (Band 3): Oberdeutschland im 15./16. Jahrhundert — Berlin-Neubabelsberg: Akad.Verl.-Ges. Athenaion, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.61917#0226
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676

LUCAS CRANACH ALS PORTRÄTIST. DAS MALERISCHE

195. Lucas Cranach: Bildnis. Wasserfarbenmalerei. Berlin,
Kupferstichkabinett


Auch auf dem Gebiet der Porträtmalerei
ist die frühere knorrig individuelle For-
mengebung (z. B. das Porträt des Rektors
Reuß in Wien und zwei männliche Bild-
nisse in Berlin) einem glatteren allge-
meinen Schönheitsideal gewichen. Etwas
schräg nach oben auswärts gerichtete
Schlitzaugen — als spräche sich der sla-
wische Untergrund des sächsischen Volks-
tums noch aus — gibt Cranach nun allen
seinen Porträts, auch den Frauen, die
überdem ein gleichförmiges spitzovales
Kinn annehmen. Die in mehreren Exem-
plaren vorkommenden Judithbilder (z. B.
in Wien, Stuttgart usw.) schließen sich
den Frauenbildnissen an. Mehr und mehr
tritt mit der Glättung der Linie eine Ver-
flachung der Modellierung ein; schließlich
gibt Cranach unter Beschränkung auf ein
Mindestmaß an Schatten fast nur noch
klar abgesetzte einfarbige Flächen; freilich
ist in den besten Arbeiten bloß durch die
sichere Formbezeichnung das Gefüge des
Kopfes immer noch meisterhaft heraus-
gebracht. Neben Brustbildern, die die
Dargestellten gerne im Halbprofil vor
grünem oder schwärzlichem Grunde zei-
gen, malt Cranach auch eine Reihe von

großen Ganzfigurenbildern, unter denen die Bildnisse Heinrichs des Frommen und seiner
Gemahlin, der Herzogin Katharina von Mecklenburg von 1514 und das Bildnis desselben
Fürsten von 1537 in Dresden den ersten Rang einnehmen (Abb. Tafel XXXXIX). Selbst in den
letzten Dezennien seines Lebens, da er, bedrängt durch seine anderen Geschäfte — zu allem
übrigen übernahm er noch eine Apotheke, sowie einen Papierhandel — das Malen seinem Sohn
Lucas und den zahlreichen Gesellen seiner Werkstatt überließ, blieb der Meister im Besitze seiner
künstlerischen Kraft. Sein Selbstporträt vom Jahre 1550 zeigt ihn z. B. auf der alten Höhe.
Die eigentliche Stärke Cranachs war das Malerische. Er hat eine so zarte reich und sorg-
fältig abgestimmte Palette wie kein anderer deutscher Meister. Bei keinem geben daher die
Schwarzweißreproduktionen einen so schwachen und unvollständigen Begriff seines Könnens als
bei Cranach. Die Formen haben für ihn nur ein sekundäres Interesse; seine Mädchenakte z. B.
sind nicht mühsam gemessen und studiert; die Farbentöne bringen den Zauber und welchen
Zauber! Die perlmutterhaft schimmernden weißen Leiber, deren Rundungen nur durch einen feinen
bläulichen Schattenhauch so ungemein zart betont sind! Dazu die schon geschilderten moos-
grünen Laubtöne, die durchsichtigen duftigen Fernen, der bläulichweiße Himmel! Unter den
Gewandfarben liebt Cranach wundervolle schieferblaue und schiefergraue Töne; auch braune
und gelbrote Farben in eigentümlicher Feinheit finden sich nur bei Cranach.
 
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