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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 21.1920

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Nr. 1
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Voigt, Christian: Die Festung Berlin, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.34330#0006
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2

Alle diese Befestigungen waren, als Friedrich Wilhelm nach Beendigung des 30 jährigen Krieges seine Haupt-
stadt wiedersah, einigermaßen verfallen. Darum schien es ihm ein Gebot der Stunde, ihre Wiederherstellung
nach modernen Grundsätzen durchzuführen.
Bestimmend für den geplanten Festungsbau waren in erster Linie politische Gesichtspunkte, wie die bedroh-
liche Nachbarschaft der Polen nnd der Schweden, denen 1648 Vorpommern und damit Stettin zugesprochen war.
Ahnen gegenüber konnte die Mark sonst keinen wirklichen festen und widerstandsfähigen Platz aufweisen, und ge-
rade die Landesmetropole bedurfte als Sammelplatz der geistigen Interessen und der materiellen Kräfte des
Staates umfassender Sicherungsmaßnahmen.
Einen wesentlichen Anteil an dem Entschluß des Fürsten dürfen wir auch dem kurbrandenburgischen Residenten
im Haag, Herrn Mathias Dogen, beimessen. Sein großes Werk: „Heutigestages liebliche Kriges-Bau-
Kunst, Amsterdam 1048", das er dem Kurfürsten widmete, hat zweifellos den letzteren in seinem Vorhaben bestärkt.
In diesem Buche gibt Dogen hauptsächlich eine Beschreibung und Kritik der niederländischen Befestigungsweise,
worin ihm Adam Freitag mit seiner „arolritsetura militari« nova ot aueta (Leiden 1630)" vorangegangen
war. Dieses von Coehoorn weiter ausgebildete System bestand in wassergefüllten Grüben und in Wällen, die sich
Für Dögcns klaren Blick
spricht nach F. Holtze (a. a.
O., S. 49) seine Argumen-
tierung, man habe über-
haupt nicht nach einer all-
gemein und allein gültigen
Methode der Fortifikation
zu suchen, sondern des Bau-
meisters höchste Kunst be-
stehe in den: genialen Er-
fassen der Fingerzeige, die
in der Natur der Örtlichkeit
liegen. Demzufolge verwirft
er das Anklammern an das
Schema, wozu das Streben
nach geometrisch - schönen
Polygon-Grundrissen leicht
führen könnte, und sieht von
der absoluten Gleichmäßig-
keit der Bastionsfronten ab,
wofern die Ilmstände Ab-
weichungen nahelegen.
Auf diesen Erwägungen
und Grundsätzen baut sich
im wesentlichen der neue
Festungsplan von Berlin
auf. Woher kam nun ei-
gentlich diese, niederländi-
schen Einflüssen zuzuschrei-
bende Einwirkung auf den
Fcstungsbau?
Diese Frage steht in engein Znsannnenhang mit den Beziehungen des Fürsten zu den Niederlanden, wozu
seine Vermählung mit Luise Henriette von Oranien nicht wenig beitrug. Auch waren damals die Niederlande
tonangebend in militärischen Fragen. Standen ihnen doch die Erfahrungen des spanischen Unabhängigkeitskrieges
zur Seite, in dem sich ihr Verteidigungswesen außerordentlich bewährte, weil es sich den topologischen Verhält-
nissen des wasserreichen Landes anzupassen wußte. Dort hatte Friedrich Wilhelm, selber Soldat mit Leib und
Seele, während seines Jugendaufenthaltes sich eingehend mit den Ingenieurwissenschaften und mit artilleristischen
Fragen beschäftigt. Die dabei gewonnenen Erfahrungen hatten ihn in die Künste des Krieges eingeweiht.
Da Berlins derzeitige Anlagen als veraltet gelten mußten, nahm der Plan der Befestigung dald feste Gestalt
an. Der Fürst derief dazu einen ganzen Stad holländischer Masserbautechniker, an ihrer Spitze den Architekt
Memhardt, nach den Marken lind übertrug letzterem die Leitung der fortisikatorischen Arbeiten, die in den Jahren
1658—83 Berlin zur ausgeprägten Wasserfestung altniederlündischen Systems umwandeln sollten, ein Zeitraum
von der Darier eines Viertcljahrhunderts, der in den geringen Mitteln des Staates seine Erklärung findet.
Die fortisikatorischen Grundzüge gab der Fürst selber an, der Feldmarschall Otto Christoph v. S p a r r ging
mit seinem Rate zur Hand und der in Holland ausgebildete Architekt Johan Gregor Memhardt von Linz
(G. Galland hat das Verdienst, in seiner Studie „Hohenzollern und Oranien", Strahburg 1911, S. 193, die
*) Vom italienischen Falsabraga --- Niederwald

nicht allzu hoch über dein
Wasser erhoben, aber im
Innern durch Waffenplätze
und „Kavaliere" verstärkt
und mit zahlreichen Außen-
werken versehen waren. Wir
finden da den Hauptwall,
ihm vorgelagert den wasser-
gefüllten Graben und den
Niederwall. Weiterhin folgt
der bedeckte Weg und das
Glacis. Der Niederwall
wurde vielfach auch inner-
halb des Grabens dem Fuße
des Walles vorgelagert, er
war gemauert und mit
Brustwehr versehen, und
hieß dannFaussebraieH.Sein
Zweck war, Überfälle zu ver-
hindern und den Feind aus
dem Graben zu verjagen.
Es sind das verhältnismäßig
wohlseil anzulegende Be-
festigungen, die sich dem
Gelände anschmiegen nnd
einen Kampf Schritt für
Schritt, also eine zähe Ver-
teidigung begünstigen, an-
ders als beiVauban, dessen
System eine mehr offensive
Verteidigung bezweckte.


Abb. l. Das Leipziger Tor. (löS3—1739.)
Stich von Al. Meyer.
 
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