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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 21.1920

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Nr. 2
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Heller, Hans: Die Bedeutung der deutschen Burgen für die Gegenwart
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https://doi.org/10.11588/diglit.34330#0016
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tragen, uns ihren Geist und all ihr Können in Gutem und Bösem gegeben, so mag der, der Ehrfurcht vor ge-
schichtlichem Werden zu fühlen fähig ist, auch die deutschen Burgen betrachten und verehren als die letzten Reste
der Zeiten, die den unfern den Boden abgeben. Die Burgen sind die Verknüpfung zwifchen dem Heut und dem
Einst; sie weisen deutlicher als Schrift und Rede auf jene Vergangenheit zurück, als deren Kinder alle Güter deut-
scher Kultur zu gelten haben. Alles Natürliche und Echte wurzelt in Vergangenem und hat seine Geschichte.
Es mag Leute geben, die geschichtliche Werdevorgänge leugnen, die glauben, das Dasein setze sich aus einein
Mosaik unzusammenhängender Tatsachen zusammen, denen eine hinzuzufügen es nur eines schlauen Einfalls
und einiger Willenskraft bedürfe. Man weist, dast derartige Schlüsse heute, da alles in Frage gestellt und eine
schlechthin neue Zeit angebrochen zu sein scheint, der Menge recht geläufig sind. Hüten wir uns vor diesen Trug-
fchlüssen! Bewahren wir uns den jetzt mit billigem Spott bedachten „geschichtlichen Sinn" auch dann,
wenn neue Kulturprediger den Blick allein auf „das Reale" lenken zu müssen meinen, — das Reale, das voll
begriffen werden kann allein aus dem Verständnis für sein Werden, seine Geschichte; eine Wahrheit, die nach
Lamarck und Darwin nunmehr wohl Anerkennung finden dürste.
Nun also: auch die deutsche Kultur wurzelt in lang vergangenen Tagen, auch sie hat sich mählich zu dem
gebildet, was wir wertschätzen und im Kampfe gegen die halbe Erde lieben gelernt haben, so es nicht längst unser
Stolz gewesen war. Und die deutschen Burgen sind die sinnfälligsten, weil dem Erleben unmittelbar
gebotenen Stätten, in und an die der rückschauende Geist das Werden unserer Deutschkultur schließt. So sind
fchon rein äußerlich die Burgen die natürlichen Gegebenheiten, auf die die Pflege völkischen Selbst-
gefühls sich beziehen mag. Die inneren Verknüpfungen sind nicht weniger deutlich. Die Aufgabe ist: wie
erhalten wir deutsche Kultur, und wie pflegen wir das daraus stammende Gefühl des Stolzes auf eben unsere
Kultur, deren Wert durch das nationale Unglück unserer Tage zwar bezweifelt, aber nicht im mindesten ver-
kleinert worden ist? Erziehenwir uns, erziehen wir vor allem auch unsere Umgebung und das kommende
Geschlecht zur Deutsch heit — dann erfüllen wir die Forderung der Gegenwart. Und in solchem Be-
mühen sind die deutschen Burgen die, soll ich sagen: Kristallisationsmittelpunkte?, sind sie die Heimstätten neu er-
wachenden vaterländischen Empfindens. Mehr als das: sie können geradezu der Grundstein einer ganzen staats-
bürgerlichen Erziehung sein, einer Erziehung, die freilich höhere Ziele hat als den Menschen über seine Rechte
an der Wahlurne aufzuklären.
Vergegenwärtigen wir uns den unendlichen Reiz, den insbesondere schon verfallene und unbewohnte Burg-
anlagen auf das unbefangene, jugendliche Gemüt auszuüben pflegen. In diesem Zauber, den alles Wunder-
bare ausstrahlt, finden wir die Handhabe, den Sinn auf die Burg im allgemeinen hinzulenken. Es ist leicht,
durch Erzählungen von Mären und Sagen, die ja jedem Wehrbau anhasten, auch recht jungen Kindern ein mehr
als nur vorübergehendes Aufmerken auf den jeweils vorliegenden Burgbau zu entlocken. Später läßt man dann
das Mittelalter mit dem ganzen Vielerlei seiner Sitten und Bräuche, seinen Rittern und Herren, seinen Bürgern
und Bauern, Hölle, Tod und Teufel am geistigen Auge der Kinder vorüberziehen. Wiederum gibt es keinen ge-
legeneren Ort, die damaligen Zustände und Erscheinungen dem doch ausschließlich gegenständlichen Denken des
jugendlichen Menschen faßlich zu machen als die Burgen, die, wie gesagt, zumeist die einzigen Überbleibsel jener
Zeit darstellcn und darum um so williger als die Stätten betrachtet werden, an denen das Leben vergangener
Zeiten brandete. Aufklärungen über nüttelalterliche Bauweise, Beförderungsmittel usw. usw.
lassen sich mühelos anschließen, ja sie sind oft gerade an Ruinen, die der Phantasie hinreichenden Raum gewähren,
außerordentlich fruchtbar, ünd weiterhin das W e h r w e s e n, das in den Burgen gipfelte, um schließlich doch,
wie die märkischen Schlösser dem groben Geschütz des Großen Kurfürsten, der vervollkommneten Technik neuerer
Zeit zu erliegen, das Kriegs- und Händelschauspiel, an dem unsere Geschichte so reich ist, alles läßt sich mit einigem
Geschick und Takt aus den Runen lesen, die die deutschen Burgen der Landschaft eingraben. And all das Ge-
schilderte muß ja Erziehung zum Deutschtum unmittelbar sein! Denn jenes „finstere" Mittelalter schuf auf den
festeil Schlössern Werke unvergänglicher Schönheit und Größe, Bau- und Dichtkunstdenkmale, die uns Deutsche
den Ehrenplatz unter den Völkern anweisen. Dort entstanden die Niederschriften des Nibelungenliedes,
dort sang ein WalthervonderVogelweide, und aus Wartburg und Coburg schuf Martin
Luther die deutsche Bibel. Und andererseits Kampf und Hader um deutsche Burgen! Es hat schon seinen
guten Grund, daß der alte Geschichtsunterricht „Kriegsgeschichte" war. Kriege haben unser Deutschland zum
Tummelplatz aller europäischen Stämme gemacht, haben niemals ihm jene Ruhe gegönnt, die stetiger, eindeutiger
Entwicklung erste Voraussetzung ist. Wie wäre Kulturgeschichte denkbar ohne das Martyrium eines
Dreißigjährigen Krieges, das die Tiefen deutschen Landes und deutscher Seele auswühlte bis zum letzten? Wo
könnte von jenen Kämpfen besser geredet sein als in den Mauern unserer Burgen> den Brennpunkten des Streites?
Auch die abgelegenste kleinste Burg hat ihre Geschichte, seüs auch nur die des Hasses feindlicher Brüder, der Er-
bärmlichkeit blutiger Erbsolgezwiste. Nichts beweist deutlicher das alte urdeutsche Übel der Eigenwilligkeit, die
über der Kleinheit des eigenen Möllens die harte Forderung des Ganzen vergißt. Nirgends aber auch gibt es
schönere Zeugen deutscher Stammestreue als eben wiederum ich unseren Burganlagen, in den festen
Sitzen an Elbe und Saale, die die Vorposten des Deutschtums gen Osten waren, in den Burgen unserer Ordens-
ritter der Ostmark, in den Kirchenburgen schließlich Siebenbürgens. Damals standen die Deutschen ihren Mann,
wir wollen heute ihrer wert sein.
' Bedarf es weiterer Hinweise aus die Bedeutung der deutschen Burgen für die Gegenwart? Ich glaube,
die wenigen Andeutungen genügen, um den Wert der Wehrbauten für unsere völkische Erziehung verständlich
zu machen. Wir müssen alles daran setzen, jeder an seinem Teil, unsere Burgen und festen Schlösser diesem Zwecke
 
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