Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Buttlar, Adrian von
Der englische Landsitz: 1715-1760 : Symbol eines liberalen Weltentwurfs — Mittenwald: Mäander, 1982

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.61312#0074
License: Creative Commons - Attribution - ShareAlike
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
dem antiquarischen Interesse als ihrer vom Theater übernommenen Darstellungs-
funktion. Bei Jones hatte es gotische und mittelalterliche Bauten auf der Bühne
gegeben, und Lord Bathursts “gothic castle” in Cirencester (1722-32) zeigt außer-
ordentliche Verwandtschaft mit dem bereits erwähnten Entwurf aus “Britannia
Triumphans” (1637).
Den abbildenden Charakter auch mittelalterlicher Parkbauten hebt Horace Walpole
hervor. Walpole, der ab 1748 “Gothick” in seinem Landhaus Strawberry Hill zum
Primärstil nobilitierte, rügte noch 1762 angesichts eines gotischen Tempels in Hamil-
tons Landsitz Pains Hill, der aus Langleys Musterbuch (1742) entnommen war, daß es
dort nicht einen einzigen Entwurf “of true and good Gothic” gäbe: “In all Gothic
designs, they should be made to Imitate something that was of that time, a part of a
church, a castle, a convent, or a mansion. The Goths never built summer-houses or
temples in a garden.”333
Die imitative Gotik von Bathursts “Alfred’s Castle” fand insbesondere in den
Burgen und Ruinen von Sanderson Miller, einem Spezialisten auf diesem Gebiet, ihre
Nachfolge. Miller baute Parkburgen (Sham Castles) u. a. auf seinem eigenen Grund in
Radway/Edgehill (um 1747), wenig später für Lord Lyttleton in Hagley und Ralph
Allen in Prior Park bei Bath. William Pitt hatte den “Great Master of Gothick” hier um
einen Entwurf für seinen Freund Allen gebeten; er brauche eine zündende Idee “for a
considerable Gothic Object which is to stand in a very fine Situation.”334 Viele solcher
Bauwerke, etwa die “gothic castles” in Prior Park, Wimpole und Mowcop oder Kents
„Triumphbogen“ in Rousham, sind nur als zweidimensionale Scheinarchitektur, als
sogenannte “eyecatcher”, aufgeführt.
Ab der Jahrhundertmitte setzte sich eine größere Originaltreue, nicht nur im Umriß,
sondern auch in der Detailgestaltung durch, etwa im “Convent” in Stourhead (1760
-70). Die größeren gotischen Gartentempel, wie in Stowe Gibbs’ “Temple of
Liberty” (1741, Abb. 48) und ein ähnliches Bauwerk in Frampton Court (1745), lehnten
sich an elisabethanische Vorbilder an. Auf die Restaurierung und Einbeziehung vor-
handener mittelalterlicher Ruinen (z. B. Waverley Abbey um 1737, Studley Royal um
1758) wurde schon hingewiesen. Eines der interessantesten Beispiele abbildender
Staffagearchitektur zur Imagination eines historischen Kosmos ist die „Kathedrale“ in
Kew Gardens (um 1758, Abb. 24), ein Bauwerk, das auf Entwürfe von Müntz zurück-
geht.335
Die Chinoiserie als Gartenstaffage tritt in England Anfang der vierzigerJahre auf,
d. h. unabhängig von der Berufung auf das chinesische „Sharawagdi“ als Formprinzip.
Auch unterscheidet sie sich vom komplexen Phänomen der Chinarezeption des Barock
und Rokoko.
Die ersten Chinoiserien in barocken Parks des 17. Jahrhunderts gingen zunächst
zwanglos vom Material aus - wie ja auch der Schwerpunkt im Kunstgewerbe lag. Le
Vaus „Trianon de Porcellaine“ (1670/72) für Ludwig XIV. wies äußerlich kaum chine-
sische Formen auf. In den Gärten des kontinentalen Rokoko - in Frankreich und
Deutschland - war die Rokokochinoiserie „... eine von mehreren exotischen Nuancen,
allerdings eine, zu der besondere Affinität bestand“ (E. Börsch-Supan)336. Besonders
die Rocaille-Omamentik hat Züge - Asymmetrie, Spiel mit Naturanklängen oder

72
 
Annotationen