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Caetani Lovatelli, Ersilia
Antike Denkmäler und Gebräuche — Leipzig, 1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.5539#0092
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die Leichname hineinzuwerfen. Viele ertränken sich
freiwillig darin in der Hoffnung, so zur ewigen Selig-
keit einzugehen. Gangeswasser pflegt man in kleinen
Fläschchen aufzubewahren; die Reichen sorgen dafür,
dass ihre Leichen verbrannt und die sorgfältig ge-
sammelten Reste in den Ganges gestreut werden. Der
brahmanische Gott Wischnu kommt aus dem Wasser,
lebt in ihm und durch dasselbe; nur im Wasser ist
er mächtig. Das Wasser der grossen indischen Fluth,
von der die Sagen der Veden und der Epen reden,
wäscht die Sünden der Welt ab. Durch Wasser können
viele leichtere Sünden abgewaschen werden; da aber
nicht alle nach den heiligen Flüssen oder nach den
von den Buddhisten verehrten Bergen Tibets pilgern
können, so gibt es in Indien zahlreiche öffentliche
heilige Brunnen, „ürthäh" genannt, deren Wasser man nur
zu berühren braucht, um an Leib und Seele gereinigt zu
sein. Diese Abwaschung muss jedoch, wenn sie wirk-
sam sein soll, von besonderen Gebeten und Opfern
an Speise, nicht selten auch an Gold, Silber oder
Edelsteinen begleitet sein, welche dem den tirtha be-
wachenden Einsiedler eingehändigt werden. Wenn die
Inder in diese heiligen Brunnen steigen, so tragen sie
stets Sorge, das Gesicht gegen Osten oder Norden zu
wenden. Die Scythen weihten der Donau einen be-
sonderen Cult, wie die Gallier und Germanen den
Gewässern des Rheins.

Um endlich zu den Griechen und Römern zu
kommen, von denen ich hauptsächlich handeln will,
so hielten sie, gleich den übrigen Völkern des Alter-
thums, das Wasser in hoher Verehrung. Da es als be-
fruchtendes und erneuerndes Element, möge es aus
den Wolken des Himmels herabströmen oder dem
 
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