88 Die Kämpfe der Aufklärung in Frankreich.
Räuberhöhlen und andere romantische Abenteuer zuerst anzogen,
oder mag es später gewesen sein, wo unser Jünglingsalter uns
noch in einer so unschuldigen Unwissenheit ließ daß wir die feine
und bittere Satire, die an so vielen Stellen verborgen ist, nicht
bemerken konnten, oder endlich mochten wir nun schon so unterrichtet
sein daß wir die mannichfachen Anspielungen ans Geschichte und
Staatsangelegenheiten verstanden, oder so nnbelehrt daß wir in der
Erzählung nichts zu entdecken vermochten als was sie gerade ent-
wickelt: unter allen Umständen wird der Zauber dieses Werks einen
unbedingten Einfluß auf uns geübt haben."
Zustände unter Ludwig XV. Dre Aufklärung und die
Salons. Montesquieu.
Ludwig XV. hörte als Knabe die Fastenpredigten Masillon's,
die ihn an die Heiligkeit der Gesetze mahnten, deren Diener und
erster Vollstrecker der König sei; der Fürst sei kein Götzenbild, das
sich die Völker gemacht um es anzubeten, sondern ein Hüter und
Wächter, den sie an ihre Spitze gestellt ans daß er sie leite. Aber
je älter er ward desto mehr hörte er auf die elenden Schmeichler,
die sein Belieben über das Gesetz stellten, desto mehr fiel er in
die Knechtschaft seiner Launen und Lüste, unter die Herrschaft seiner
Maitressen, die den Staat für sich und ihre Günstlinge ansben-
teten, durch das Beispiel ihrer Unsittlichkeit die geistige Atmosphäre
verpesteten, den fürstlichen Absolutismus verhaßt und verächtlich
machten.
Am Anfang des Jahrhunderts schrieb Vauban, der geniale
Meister der Befestigungsknnst: Der zehnte Theil des Volks ist am
Bettelstäbe und bettelt, aber nur die Hälfte der übrigen kann ihm
ein Almosen geben, weil so viele selbst wieder von Schulden und
Rechtshändeln erdrückt werden. Gerade die arbeitende Klasse, die
den Grundpfeiler des Staats bildet, ist überbürdet, und die Großen
sind frei von Stenern und Lasten. Ein Menschenalter später fuhr
der Marquis d'Argenson in diesem Sinne fort: Der Adel lagert
aus dem Volk wie eine bentesüchtige Satrapie; es kommt nicht zu
Kraft, so lange er es anssangen darf, und der König ist doch nur
mächtig, wenn er ein kräftiges wohlhabendes Volk beherrscht; darum
soll er sich entschließen das Volk zur Selbstthätigkeit, zur Selbst-
verwaltung zu erziehen, die Käuflichkeit der Aemter anfzuhebcn, die
Räuberhöhlen und andere romantische Abenteuer zuerst anzogen,
oder mag es später gewesen sein, wo unser Jünglingsalter uns
noch in einer so unschuldigen Unwissenheit ließ daß wir die feine
und bittere Satire, die an so vielen Stellen verborgen ist, nicht
bemerken konnten, oder endlich mochten wir nun schon so unterrichtet
sein daß wir die mannichfachen Anspielungen ans Geschichte und
Staatsangelegenheiten verstanden, oder so nnbelehrt daß wir in der
Erzählung nichts zu entdecken vermochten als was sie gerade ent-
wickelt: unter allen Umständen wird der Zauber dieses Werks einen
unbedingten Einfluß auf uns geübt haben."
Zustände unter Ludwig XV. Dre Aufklärung und die
Salons. Montesquieu.
Ludwig XV. hörte als Knabe die Fastenpredigten Masillon's,
die ihn an die Heiligkeit der Gesetze mahnten, deren Diener und
erster Vollstrecker der König sei; der Fürst sei kein Götzenbild, das
sich die Völker gemacht um es anzubeten, sondern ein Hüter und
Wächter, den sie an ihre Spitze gestellt ans daß er sie leite. Aber
je älter er ward desto mehr hörte er auf die elenden Schmeichler,
die sein Belieben über das Gesetz stellten, desto mehr fiel er in
die Knechtschaft seiner Launen und Lüste, unter die Herrschaft seiner
Maitressen, die den Staat für sich und ihre Günstlinge ansben-
teten, durch das Beispiel ihrer Unsittlichkeit die geistige Atmosphäre
verpesteten, den fürstlichen Absolutismus verhaßt und verächtlich
machten.
Am Anfang des Jahrhunderts schrieb Vauban, der geniale
Meister der Befestigungsknnst: Der zehnte Theil des Volks ist am
Bettelstäbe und bettelt, aber nur die Hälfte der übrigen kann ihm
ein Almosen geben, weil so viele selbst wieder von Schulden und
Rechtshändeln erdrückt werden. Gerade die arbeitende Klasse, die
den Grundpfeiler des Staats bildet, ist überbürdet, und die Großen
sind frei von Stenern und Lasten. Ein Menschenalter später fuhr
der Marquis d'Argenson in diesem Sinne fort: Der Adel lagert
aus dem Volk wie eine bentesüchtige Satrapie; es kommt nicht zu
Kraft, so lange er es anssangen darf, und der König ist doch nur
mächtig, wenn er ein kräftiges wohlhabendes Volk beherrscht; darum
soll er sich entschließen das Volk zur Selbstthätigkeit, zur Selbst-
verwaltung zu erziehen, die Käuflichkeit der Aemter anfzuhebcn, die