Voltaire.
105
verdienen Statuen, eure Aufführung Ketten. Er ließ die Schmäh-
schrift nnter dem Fenster des Verfassers durch den Heuler ver-
brennen. Da schickte Voltaire Orden und Kammerherrnschlüssel
Zurück; doch der König bot ihm die Hand zur Versöhnung. Allein
bald (im März 1755) reiste Voltaire von Potsdam ab. In
Frankfurt am Main ließ ihn Friedrich verhaften; er wollte einen
Band seiner Gedichte wiederhaben, die nur für Freunde bestimmt
waren; ungeschickte Beamte verwickelten die Sache. Nachdem Vol-
taire wieder entlassen war, rächte er sich durch eine boshafte Dar-
stellung von Friedrich's Privatleben. Der König verzieh ihm auch
dies, schrieb ihm wieder, und hielt auch dem Verstorbenen noch die
Lobrede in der Ltlademie.
Nach mehrjährigem Hin- und Herziehen suchte Voltaire eine
Freistätte und kaufte sich mehrere Landgüter am Geufersee; seit
1758 ward Ferneh sein bleibender Aufenthalt. Besuche und Brief-
wechsel hielten ihn mit der Welt in Verkehr. Körperlich ein
schwächlicher kränklicher Greis, aber geistig voll Mnth und Frische
fuhr er nicht blos fort Dramen, Romane, satirische Erzählungen
zu schreiben; seine ununterbrochene journalistische Wirksamkeit für
die Aufklärung stand in vollster Blüte, er war Mitarbeiter der
Enchklopädie und besorgte viele Artikel, die später im viotionnairs
xllilosoiKiiciue gesammelt wurden; er nahm sich der Armen, der
Verfolgten an, und verwerthete seine Verbindung mit den euro-
päischen Höfen zu Gunsten der Nothleidenden. Es ist die schönste
Zeit seines Lebens, er hat erlangt wonach er trachtete, Unabhängig-
keit, Reichthum, Macht, Ruhm, und wirkt nun ohne Ränke und
schlechte Künste für Wahrheit, Recht und Menschenwohl. Die Ode
an den Geufersee ist sein bestes Gedicht ernster Art, eine Hymne
auf die Freiheit. Er preist die Herrlichkeit der Landschaft, gedenkt
der Verse Vergil's auf die italienischen Seen und fährt fort:
Mein See geht allen vor,
Denn sein glückseliges Gestad erkor
Zu ihrem Lieblingssitz sie die zu allen Zeiten
Der Menschheit Göttin war und ewig bleibt,
Die sie zu großen Thaten treibt,
Sie die allein die Seele zu erwecken
Vermag, des edelsten Verlangens Gegenstand,
Sie die mit Inbrunst festhält wer sie fand,
Die jeder sich ersehnt, der Edle zu erstreiten
Bereit ist, die in aller Herzen lebt,
105
verdienen Statuen, eure Aufführung Ketten. Er ließ die Schmäh-
schrift nnter dem Fenster des Verfassers durch den Heuler ver-
brennen. Da schickte Voltaire Orden und Kammerherrnschlüssel
Zurück; doch der König bot ihm die Hand zur Versöhnung. Allein
bald (im März 1755) reiste Voltaire von Potsdam ab. In
Frankfurt am Main ließ ihn Friedrich verhaften; er wollte einen
Band seiner Gedichte wiederhaben, die nur für Freunde bestimmt
waren; ungeschickte Beamte verwickelten die Sache. Nachdem Vol-
taire wieder entlassen war, rächte er sich durch eine boshafte Dar-
stellung von Friedrich's Privatleben. Der König verzieh ihm auch
dies, schrieb ihm wieder, und hielt auch dem Verstorbenen noch die
Lobrede in der Ltlademie.
Nach mehrjährigem Hin- und Herziehen suchte Voltaire eine
Freistätte und kaufte sich mehrere Landgüter am Geufersee; seit
1758 ward Ferneh sein bleibender Aufenthalt. Besuche und Brief-
wechsel hielten ihn mit der Welt in Verkehr. Körperlich ein
schwächlicher kränklicher Greis, aber geistig voll Mnth und Frische
fuhr er nicht blos fort Dramen, Romane, satirische Erzählungen
zu schreiben; seine ununterbrochene journalistische Wirksamkeit für
die Aufklärung stand in vollster Blüte, er war Mitarbeiter der
Enchklopädie und besorgte viele Artikel, die später im viotionnairs
xllilosoiKiiciue gesammelt wurden; er nahm sich der Armen, der
Verfolgten an, und verwerthete seine Verbindung mit den euro-
päischen Höfen zu Gunsten der Nothleidenden. Es ist die schönste
Zeit seines Lebens, er hat erlangt wonach er trachtete, Unabhängig-
keit, Reichthum, Macht, Ruhm, und wirkt nun ohne Ränke und
schlechte Künste für Wahrheit, Recht und Menschenwohl. Die Ode
an den Geufersee ist sein bestes Gedicht ernster Art, eine Hymne
auf die Freiheit. Er preist die Herrlichkeit der Landschaft, gedenkt
der Verse Vergil's auf die italienischen Seen und fährt fort:
Mein See geht allen vor,
Denn sein glückseliges Gestad erkor
Zu ihrem Lieblingssitz sie die zu allen Zeiten
Der Menschheit Göttin war und ewig bleibt,
Die sie zu großen Thaten treibt,
Sie die allein die Seele zu erwecken
Vermag, des edelsten Verlangens Gegenstand,
Sie die mit Inbrunst festhält wer sie fand,
Die jeder sich ersehnt, der Edle zu erstreiten
Bereit ist, die in aller Herzen lebt,