Tolstojs Flucht und Tod
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seien für den Zug Nummer neun gelöst worden, tele-
graphierte sie an den Vater: „ Kehre sofort zurück. Sascha. “
Der Bedienstete, dem sie dieses Telegramm zur Besorgung
übergeben hatte, kam darauf verlegen zu mir, im Zweifel,
ob er den Auftrag der Mutter ausführen solle.
Abends kam mein Bruder Andrei an. Eine Stunde später
traf der Arzt aus Tula ein; er suchte sofort meine Mutter
auf und hatte mit ihr eine lange Unterredung, in der er sie
zu beruhigen versuchte. Meinem Bruder und mir teilte
er mit, er habe bei meiner Mutter Anzeichen einer starken
Nervenstörung vorgefunden, und bat, sie zu beaufsichti-
gen, indem er hinzufügte, die Möglichkeit eines erneuten
Selbstmordversuches sei nicht ausgeschlossen.
Die Nachtwache bei der Mutter übernahm Maria
Alexandrowna Schmidt1) und Bulgakoff. Ich stand in der
Nacht wiederholt auf, um nach ihrem Befinden zu sehen.
DieMutter ging die ganze Nacht hindurch laut schluchend,
dann sich wieder beruhigend, aus einem Zimmer in das
andere. Sie machte keine weiteren Selbstmordversuche,
sie sagte nur:
„Ich werde ihn auffinden, ich laufe weg. Wie wollt
ihr mich daran hindern?! Ich springe zum Fenster hinaus
und gehe zur Bahn, was wollt ihr mit mir machen? I Ach,
wenn ich nur wüßte, wo er ist! Ich werde ihn dann nicht
mehr loslassen, Tag und Nacht werde ich ihn bewachen,
werde vor seiner Tür schlafen . . .“
Am Abend desselben Tages erhielt ich ein an Tschert-
koff gerichtetes Telegramm: „Nächtigen Optina, morgen
Maria Alexandrowna Schmidt — vertraute Anhängerin und
Freundin von Leo Nikolajewitsch.
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seien für den Zug Nummer neun gelöst worden, tele-
graphierte sie an den Vater: „ Kehre sofort zurück. Sascha. “
Der Bedienstete, dem sie dieses Telegramm zur Besorgung
übergeben hatte, kam darauf verlegen zu mir, im Zweifel,
ob er den Auftrag der Mutter ausführen solle.
Abends kam mein Bruder Andrei an. Eine Stunde später
traf der Arzt aus Tula ein; er suchte sofort meine Mutter
auf und hatte mit ihr eine lange Unterredung, in der er sie
zu beruhigen versuchte. Meinem Bruder und mir teilte
er mit, er habe bei meiner Mutter Anzeichen einer starken
Nervenstörung vorgefunden, und bat, sie zu beaufsichti-
gen, indem er hinzufügte, die Möglichkeit eines erneuten
Selbstmordversuches sei nicht ausgeschlossen.
Die Nachtwache bei der Mutter übernahm Maria
Alexandrowna Schmidt1) und Bulgakoff. Ich stand in der
Nacht wiederholt auf, um nach ihrem Befinden zu sehen.
DieMutter ging die ganze Nacht hindurch laut schluchend,
dann sich wieder beruhigend, aus einem Zimmer in das
andere. Sie machte keine weiteren Selbstmordversuche,
sie sagte nur:
„Ich werde ihn auffinden, ich laufe weg. Wie wollt
ihr mich daran hindern?! Ich springe zum Fenster hinaus
und gehe zur Bahn, was wollt ihr mit mir machen? I Ach,
wenn ich nur wüßte, wo er ist! Ich werde ihn dann nicht
mehr loslassen, Tag und Nacht werde ich ihn bewachen,
werde vor seiner Tür schlafen . . .“
Am Abend desselben Tages erhielt ich ein an Tschert-
koff gerichtetes Telegramm: „Nächtigen Optina, morgen
Maria Alexandrowna Schmidt — vertraute Anhängerin und
Freundin von Leo Nikolajewitsch.