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Rene Fülöp-Miller: Jasnaja-Poljana nach Tolstojs Tode

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die letzte Nacht vor seiner Flucht eingehend beschäftigt
hatte. Die Stelle, die er nachgelesen, war das Kapitel über
den Starez Sossima.
Auf einem kleinen Wandregal neben dem Schreibtisch
befindet sich dieHandbibliothekTolstojsmitden Büchern
für den täglichen Gebrauch; dort findet man: das Evan-
gelium, Laotses „Tao — Te — King“ mitTolstojs eigenhän-
dig mit Bleistift in das Buch hineinnotierter Übersetzung
jener Sprüche des chinesischen Weisen, ferner eine fran-
zösische Ausgabe des Koran, ein englisches Werk über
Buddha, das Leben Gandhis von Doke, der „Cherubini-
sche Wandersmann“ von Angelus Silesius, Schriften von
Mark Aurel, Emerson, Montaigne, Pascal, Carlyle, einige
Bändchen aus der Beclamschen „Universalbibliothek“,
meist religiös-philosophischen Inhalts, und viele andere
Büch er. Hinter demSchreibtisch erblickt man einen großen
Diwan,aufdemTolstojnach seiner Arbeit auszuruhen pfleg-
te. Gegenüber dem Diwan steht ein runder Tisch und ein
großerFauteuil,in welchem sitzend derDichter gewöhnlich
seinen Morgenkaffee einnahm, abends ein Buch oder eine
Zeitung las oder Patiencen legte. — Seine Hausgenossen er-
zählen, er hätte in späteren Jahren, halb scherzend, durch
Patiencen das weitere Schicksal mancher von seinen Hel-
den entwickelt. An den Wänden befinden sich die Porträts
jener Freunde, die er am höchsten schätzte, darunter das von
Rjepin gemalte Bild des russischen Bauern Sutajeff, der
nicht allein das Evangelium auswendig konnte, sondern
auch ganz nach dessen Grundsätzen lebte. Das Verhalten
dieses Bauern war Tolstojs ersehntes Vorbild. Neben diesem
ein Porträt Garrisons, eines Vorkämpfers der Gewaltlosig-
keit,und Bildnisse von Dickens, Ruskin und Schopenhauer.
 
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