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Almanach 1926
aussprang. Das heißt, wir bekamen nie einen Sou. Das
Schrecklichste aber war das Papier, das man uns zu un-
seren Zeichnungen aufnötigte .. .Man brauchte ein Radier-
messer, um das Weiß herauszubekommen; ich habe mich
nie daran gewöhnen können. Der Chefredakteur der Vie
Moderne war Bergerat. Als später Charpentier seine
Zeitung aufgab, erhielt mein junger Bruder Edmond die
Leitung. Aber die Tage der Zeitung waren gezählt, ihr
Ende ließ nicht lange auf sich warten.
Ich: Sie haben vorhin von Zola gesprochen. Was halten
Sie von seinen Büchern?
Renoir: Ich habe immer seine Schriften verabscheut.
Wenn man ein Milieu schildern will, so muß man, denke
ich, sich zuerst in dessen Personen versetzen. Zola begniigt
sich, ein kleines Fenster zu öffnen, einen Blick hinaus-
zuwerfen; und dann bildet er sich ein, das Volk zu schil-
dern, wenn er sagt, daß es übel riecht. Und gar den Bürger!
Aber welch schönes Buch hätte er schreiben können; es
wäre’ nicht nur die historische Zusammenfassung einer
sehr originellen Kunstbewegung, sondern ein „document
humain“ gewesen, da er unter diesem Namen seine
Ware verkaufte, wenn er nur ehrlich in seinem Werk
berichtet hätte, was er in unseren Versammlungen und
im Atelier gesehen und gehört hatte: denn es traf sich,
daß er genau wie wir das Leben seiner Modelle gelebt
hat! Doch im Grund war es Zola wenig darum zu tun,
seine Freunde so darzustellen wie sie waren, d. h. zu ihrem
Vorteil . . .
Ich: Ich traf eines Tags Demont-Breton bei Guillemet.
„Über ,Deinen' Zola, sagte er zu Guillemet, muß man
lachen: dieser Sämann, der mit ,weiter' Geste sein Korn
Almanach 1926
aussprang. Das heißt, wir bekamen nie einen Sou. Das
Schrecklichste aber war das Papier, das man uns zu un-
seren Zeichnungen aufnötigte .. .Man brauchte ein Radier-
messer, um das Weiß herauszubekommen; ich habe mich
nie daran gewöhnen können. Der Chefredakteur der Vie
Moderne war Bergerat. Als später Charpentier seine
Zeitung aufgab, erhielt mein junger Bruder Edmond die
Leitung. Aber die Tage der Zeitung waren gezählt, ihr
Ende ließ nicht lange auf sich warten.
Ich: Sie haben vorhin von Zola gesprochen. Was halten
Sie von seinen Büchern?
Renoir: Ich habe immer seine Schriften verabscheut.
Wenn man ein Milieu schildern will, so muß man, denke
ich, sich zuerst in dessen Personen versetzen. Zola begniigt
sich, ein kleines Fenster zu öffnen, einen Blick hinaus-
zuwerfen; und dann bildet er sich ein, das Volk zu schil-
dern, wenn er sagt, daß es übel riecht. Und gar den Bürger!
Aber welch schönes Buch hätte er schreiben können; es
wäre’ nicht nur die historische Zusammenfassung einer
sehr originellen Kunstbewegung, sondern ein „document
humain“ gewesen, da er unter diesem Namen seine
Ware verkaufte, wenn er nur ehrlich in seinem Werk
berichtet hätte, was er in unseren Versammlungen und
im Atelier gesehen und gehört hatte: denn es traf sich,
daß er genau wie wir das Leben seiner Modelle gelebt
hat! Doch im Grund war es Zola wenig darum zu tun,
seine Freunde so darzustellen wie sie waren, d. h. zu ihrem
Vorteil . . .
Ich: Ich traf eines Tags Demont-Breton bei Guillemet.
„Über ,Deinen' Zola, sagte er zu Guillemet, muß man
lachen: dieser Sämann, der mit ,weiter' Geste sein Korn