A. Vollard: Der Salon der Madame Charpentier
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Renoir: Wanddekorationen zu malen, war immer
ein Hauptvergnügen für mich ; schon in meiner J ugend,
als ich in den Kaffeehäusern auf die blanke Wand malte.
Leider war der Platz bei Madame Charpentier sehr be-
schränkt. Die Empfangssäle waren nach der damaligen
Mode ganz in japanischem Geschmack dekoriert. Viel-
leicht stammt von diesem Anblick so vieler japanischer
Gegenstände mein Abscheu vor der japanischen Kunst.
„Während der Ausstellung von 188g hatte mich mein
Freund Burty vor japanische Holzschnitte geführt. Es
gab da sehr schöne Sachen, das will ich nicht bestreiten;
beim Verlassen des Saals aber sah ich einen mit einer-
kleinen Tapisserie überzogenen Louis-XIV-Sessel; man
konnte sich nichts Einfacheres vorstellen. Ich hätte den
Sessel küssen können!
„In Ermangelung von Wänden hatte mir Madame
Charpentier die Fläche zweier Füllungen im Treppen-
haus, schmal aber hoch, überlassen. Ich löste die Auf-
gabe, indem ich zwei Pendants, einen Mann und eine
Frau, malte. Als das Werk vollendet war, wollte man
es durch einen alten Freund des Hauses, den Maler-
Henner, begutachten lassen. Er ergriff voll Rührung,
die den Elsässer so leicht ankommt, meine Hände und
sagte mir mit seiner gelungenen elsässischen Aussprache:
„Es ist sehr gut, es ist sehr gut, aber es hat einen Fehler.
Der Mann muß immer brauner sein wie die Frau1)!“
„Eine kleine Einzelheit: Madame Charpentier hatte
eine gewisse Ähnlichkeit mit Marie Antoinette. So gab
es keinen Kostümball, auf dem sie nicht als Marie An-
1) „C’est dres pien, c’est drcs pien, mais il y a une vaute!
L’homme toit doujours aidre blus prun gue la varnine!“
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Renoir: Wanddekorationen zu malen, war immer
ein Hauptvergnügen für mich ; schon in meiner J ugend,
als ich in den Kaffeehäusern auf die blanke Wand malte.
Leider war der Platz bei Madame Charpentier sehr be-
schränkt. Die Empfangssäle waren nach der damaligen
Mode ganz in japanischem Geschmack dekoriert. Viel-
leicht stammt von diesem Anblick so vieler japanischer
Gegenstände mein Abscheu vor der japanischen Kunst.
„Während der Ausstellung von 188g hatte mich mein
Freund Burty vor japanische Holzschnitte geführt. Es
gab da sehr schöne Sachen, das will ich nicht bestreiten;
beim Verlassen des Saals aber sah ich einen mit einer-
kleinen Tapisserie überzogenen Louis-XIV-Sessel; man
konnte sich nichts Einfacheres vorstellen. Ich hätte den
Sessel küssen können!
„In Ermangelung von Wänden hatte mir Madame
Charpentier die Fläche zweier Füllungen im Treppen-
haus, schmal aber hoch, überlassen. Ich löste die Auf-
gabe, indem ich zwei Pendants, einen Mann und eine
Frau, malte. Als das Werk vollendet war, wollte man
es durch einen alten Freund des Hauses, den Maler-
Henner, begutachten lassen. Er ergriff voll Rührung,
die den Elsässer so leicht ankommt, meine Hände und
sagte mir mit seiner gelungenen elsässischen Aussprache:
„Es ist sehr gut, es ist sehr gut, aber es hat einen Fehler.
Der Mann muß immer brauner sein wie die Frau1)!“
„Eine kleine Einzelheit: Madame Charpentier hatte
eine gewisse Ähnlichkeit mit Marie Antoinette. So gab
es keinen Kostümball, auf dem sie nicht als Marie An-
1) „C’est dres pien, c’est drcs pien, mais il y a une vaute!
L’homme toit doujours aidre blus prun gue la varnine!“