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Almanach 1926

Im selben Augenblick meldete Zod einen Besuch. Es
war eine Dame, die aus Paris kam, um Degas zu sehen,
in der Annahme, daß es leichter sei, auf dem Lande seiner
„Ein solcher Frauenleib, das ist ebenso ernst wie eine Berg-
predigt.“
Renoir: Ihr Mann muß ein Literat gewesen sein. Ein Ma-
ler drückt sich nie und nimmer so aus.
Ich: Gleich darauf kam ein Maurer vorbei. Er bleibt auch
vor dem Akt stehen: „Donnerwetter, mit dem Frauenzimmer
möchte ich nicht schlafen.“
Renoir: Der Maurer hatte recht. Die Kunst ist kein „Jux“.
Ich: Hatten Sie einmal Gelegenheit, zuzusehen, wenn Degas
seine Radierungen macht?
Renoir: Ich bin manchmal mit ihm zu Cadard gegangen,
gewöhnlich abends nach dem Essen. Degas nahm eine Platte
und brachte seine prachtvollen Impressionen heraus. Ich traue
mich nicht Radierungen zu sagen, um mich nicht „ausschimpfen“
zu lassen. Die Spezialisten wiederholen es einem bis zur Er-
schlaffung, daß es gottsjämmerlich gemacht ist und von einem
Menschen, der nicht die leiseste Ahnung von den Grundregeln
der edlen Radierkunst hat, aber wie schön ist es!
Ich: Aber ich habe Sie immer sagen hören, daß man sein
Handwerk gründlich verstehen muß.
Renoir: Ja, aber da meinte ich nicht das tüftlige Handwerk
der modernen Radierer. Unter den schönsten Radierungen Rem-
brandts gibt es welche, die aussehen, als seien sie mit einem
Stückchen Holz oder mit der Spitze eines Nagels gemacht. Wollen
Sie etwa darum sagen, daß Rembrandt nichts von seinem Hand-
werk verstand! Ganz im Gegenteil: gerade weil er es so ganz
beherrschte, und weil er wußte, wie hoch die Arbeit der Hand
einzuschätzen ist, ist bei ihm nicht j enes ganze Arsenal von Werk-
zeugen zu finden, das sich zwischen den Gedanken des Künst-
lers und seine Ausführung stellt, und das dem Atelier des heutigen
Schwarzweißkünstlers das Ansehen einer zahnärztlichen Klinik
gibt.
Ich: Und Degas der Maler?
 
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