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Kunstsalon Paul Cassirer [Hrsg.]; Hugo Helbing <München> [Hrsg.]
Sammlung Georg Schwarz: Bildwerke der Antike und der christlichen Epochen in Holz, Stein, Ton und Bronze ; Ausstellung vom 20. bis 23. Mai 1917 ; Versteigerung Donnerstag, den 24. Mai — Berlin, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.15240#0009
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VORWORT

Wer den Katalog der Skulpturen-Sammlung Georg Schwarz flüchtig durch-
blättert, mag sich über die unhistorische Anordnung verwundern, die mit den
deutschen Bildwerken beginnt, dahinter die Antiken als eine Art Zwischenspiel
einschiebt, um mit den den deutschen gleichzeitigen außerdeutschen, italienischen,
spanischen, französischen Plastiken zu schließen. Aber nichts würde der Art
dieses Sammlers weniger entsprechen, als aus seinen Schätzen eine streng histo-
rische Entwicklungslinie zu konstruieren, diesen Dingen, die noch vor kurzem
seine Wohnzimmer, seinen Korridor, sein Schlafzimmer, seine Küche in bunter
Reihe füllten, vereint von einem Sinn, dem die künstlerischen Qualitäten einer
Plastik nicht erst durch die wissenschaftlich historische Kenntnis ihrer Epoche
vermittelt werden, sondern der Gefallen an plastischer Schönheit hat, gleichgültig
in welchem zeitlichen Gewand sie auftritt. Hier warder Geschmack einer Gegen-
wart am Werke, die das Primitive sucht und das Gotische vor allem liebt, dessen
^Viedererwachen im Barock erkannt hat, der aber doch der Respekt vor dem
Klassischen noch im Blute liegt. Das Primitive bietet sich aber nicht in den
kulturreifen Proben altäg'yptischer Kunst, die den historisch ältesten Teil der
Sammlung darstellen, sondern in der erworbenen Gebundenheit der romanischen
Epoche, vertreten besonders durch zwei Madonnen. Eine französische, aus dem
12. Jahrhundert, thronend in feierlich strenger Frontalität, das Kind genau auf
der Mitte des Schoßes und eine, um eine Stilstufe jüngere, lothringische, die
zwar noch ebenso starr geradeaus auf ihrem säulengetragenen Thronsesselchen
sitzt, jedoch auf ihrem linken Knie das Kind hält, in dessen Beinstellung und
Buch dann so etwas wie Verkürzung zu geben versucht wird.

Aus dem Bereich des Gotischen bietet die Sammlung die vielfarbigste Aus-
lese : Zwei wohl oberitalienische Leuchte rengel, stark unter französischem Einfluß,
die sich in ihren langfaltigen Gewändern so feierlich zurücklehnen (an Elfenbein-
schnitzereien der Embriachi gemahnend), daß man sie fast für Maria und Gabriel
der Verkündigung halten könnte. Eine ebenso schlanke, stehende deutsche Ma-
donna vom Bodensee mit überirdischem Lächeln und eine französische Heilige
mit Buch, die in ihrer zierlichen Eleganz schon etwas mehr von dieser Welt ist,
so daß sie wie eine flinke Kirchengängerin anmutet.
 
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