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Kunstsalon Paul Cassirer [Hrsg.]; Hugo Helbing <München> [Hrsg.]; Hugo Helbing (Firma) [Mitarb.]
Ausstellung / Paul Cassirer ; Hugo Helbing: Sammlung Leo Lewin, Breslau: deutsche und französische Meister des XIX. Jahrhunderts ; Gemälde, Plastik, Zeichnungen ; Versteigerung: Dienstag, den 12. April 1927 — [S.l.], 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.24294#0007
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Die Sammlung Leo Lewin ist nicht alt. Nichtsdestoweniger hat sie
eine Mission erfüllt. Eine Mission hat jede größere Sammlung von
Kunstwerken, besonders wenn moderne Kunst gesammelt wird, mag es
dem Besitzer nun zum Bewußtsein kommen oder nicht. Sozial betrachtet
wirkt der Sammler wie ein Beauftragter- während er nur an sich selbst zu
denken scheint, leistet er auch für die Allgemeinheit eine Arbeit. Die
Moti ve des Sammelns sind ja keineswegs immer von vornherein altruistisch,
sie können es gar nicht sein. In der Regel beginnt es so, daß jemand sein
Geld in Kunstwerken an legt. Dann aber zeigt es sich, daß die Erziehung
des Sammlers beim Sammeln beginnt. Dem Besitzinteresse gesellt sich
die Freude neuen Erkennens. Täglich ist der Sammler von guten Kunst-
werken umgeben, in den Künstlerateliers und bei den Kunsthändlern lernt,
er vergleichen, er hört viel und gut über Kunst sprechen, und so bildet
sich sein Urteil. Es ergeht ihm ähnlich wie dem Kunsthändler. Wie dieser,
ist er gezwungen genau aufzumerken und zu prüfen, wenn er nicht Ver-
luste erleiden will. Denn nur das Echte dauert letzten Endes aus. Den
Sammler zwingt sein eigenstes Interesse, das Auge auszubilden, gut
von schlecht unterscheiden zu lernen, nicht auf Theorie und Geschwätz zu
hören, sondern ganz sachlich zu werten. Dann aber wird diese Tätigkeit
des Wertens zur Lust. An dem materiellen Interesse entzündet sich das
geistige; und im Gefolge der wachsenden Einsicht geht die Passion einher.
Der Sammler erscheint wie ein Sportsmann der Kunst. Damit ist er dann
aber ein geistiger Wille und als solcher ein Teil jener großen geistigen
Energie, die sozial regelnd wirkt. Die persönliche Passion wird, mag es
der Sammler nun wissen oder nicht, von Mächten in Anspruch genommen,
die geschichtsbildend sind. Darum spielt der Sammler in der Geschichte
der modernen Kunst eine so wichtige Rolle. Er steht historisch sowohl
neben jenen Kunsthändlern, die zu Vorkämpfern für das Echte geworden
sind, wie auch neben jenen pionierenden Museumsleitern, die das öffent-
liche Sammelwesen reformiert haben. Die Sammler sind Schrittmacher;
ihre Privatgalerien werden zu Reservoirs, woraus die öffentlichen Museen
mit Erfolg schöpfen.

Die besondere Mission der Breslauer Sammlung Leo Lewin hat darin
bestanden, daß sie in der wirren Zeit nach dem Kriege, in den Jahren, als
berühmte alte Sammlungen aufgelöst werden mußten, und als wertvoller
Kunstbesitz in Gefahr war zu zersplittern oder ins Ausland abzuwandern,
schnell und entschlossen wesentliche Teile dieses gefährdeten Kunstbesitzes
aufgenommen und neu zusammengefaßt hat. Es ist nicht dasselbe, ob die
 
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