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II. Kapitel
daß Petrarca aus gesellschaftlichen und finanziellen Gründen nach
diesem Provinzstädtchen zog, um die Freundin, die — wie er selbst
sagt, — „seine Tür belagerte“, loszuwerden. Aller Wahrscheinlich-
keit nach war dies Kind der Liehe sein Sohn Johann, den er später
selbst erzog und anerkannte. Verschiedene Liebesbanden waren
ihm diesmal so unangenehm geworden, daß er wirklich Ruhe und
Frieden suchte.
Die Flucht nach Vaucluse wurde dem Dichter zum Heil, denn
dort arbeitete er am meisten, dort vertiefte er sich in das Studium
der römischen Geschichte und lernte die provencalischen Natur-
schönheiten kennen und lieben. Er war sein Leben lang ein großer
Blumenfreund und konnte sich in Vaucluse an ihnen erfreuen; er
spielte Gitarre, sang, zeichnete schöne Vedutten, und gab seine Ein-
drücke in Versen und in Prosa, in lateinischer und italienischer
Sprache wieder. Er betrachtete jedoch die italienische Sprache als
ungeeignet für literarische Arbeiten, die der Nachwelt überliefert
werden sollten und schätzte darum Boccaccio, der in seiner Mutter-
sprache schrieb, lange Zeit hindurch recht niedrig ein.
Zu Petrarcas Zeiten brachte man der römischen Vergangenheit
eigentlich nur geringes Verständnis entgegen. Man las zwar die
lateinischen Klassiker, doch zumeist aus schlechten Abschriften und
in fast mephanischer Weise; nicht umsonst bezeichnete die Scholastik
das Studium des römischen Altertums als „Grammatik“. In seiner
ländlichen Einsamkeit, auf langen Spaziergängen durch Felder und
Olivenwälder, versenkte Petrarca sich so tief in die Werke der klassi-
schen Dichter, der Geist der alten Römer durchdrang ihn so mächtig,
daß sein Ilerz in Liebe für die Größe dieses Volkes entbrannte; er
vergegenwärtigte sich die Gestalten der römischen Helden so innig,
daß es ihm gelang, die toten Bücher neu zu beleben; er kam zur
Erkenntnis, daß das Altertum den alten Bibliotheken entrissen und
zu neuem Leben erweckt werden müsse. Lange trug er sich mit
dem Gedanken, ein großes Heldengedicht, das er „Afrika“ nennen
wollte, in lateinischer Sprache zu verfassen, und der Tag, an
welchem er dies Werk begann, erschien ihm für sein Leben und
vielleicht auch für die Literatur so gewichtig, daß er ihn für die
Nachwelt ausdrücklich als den Karfreitag des Jahres 1389 fest-
stellt. Er wählte als Stoff eine der ruhmvollsten Epochen des alten
Rom, den zweiten punischen Krieg, die Vernichtung Karthagos, und
 
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