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Boccacciosjugend I41
nach diesen Einladungen große Dinge versprach; doch schon beim
Betreten der Stadt harrte seiner eine bittere Enttäuschung. Der
geizige Seneschall hatte ihm eine schmutzige und unbequeme Woh-
nung in einem Gebäude zugewiesen, in dem das weibliche Gesinde
mit knurrendem Magen und in Fetzen gekleidet hauste. Die Ver-
pflegung war abscheulich und die Speisen wurden ihm auf unge-
waschenem Geschirr vorgesetzt. Boccaccio beschwei'te sich bei Nelli.
Der Freund und Prior hielt des Dichters Ansprüche aber für über-
trieben. Schließlich nahm ihn ein junger Florentiner, Mainardo dei
Cavalcanti nach zweimonatlichem Aufenthalt in dieser Hölle in seinem
Hause auf. Anscheinend schämte Acciaiuolo sich nun der Behand-
lung, die er dem damals bereits anerkannten Dichter hatte zuteil
werden lassen und lud ihn nach seiner Villa Tripergoli bei Bajä,
ein. Dort erfuhr Boccaccio aber noch unliebsamere Überraschungen.
Man gab ihm so schmutziges Bettzeug, daß einer seiner Bekannten,
über dieses Vorgehen empört, ihm aus Puzzuoli ein anständiges
Bett sandte. Ja, es kam noch schlimmer: als Acciaiuolo wieder nach
Neapel zurückkehrte, „vergaß“ er Boccaccio mit sich zu nehmen,
so daß dieser zwei Tage lang ohne Nahrung in Bajä verblieb. Der
Dichter war empört und kehrte nicht mehr zum Seneschall zurück,
sondern nahm die Gastfreundschaft eines Florentiner Kaufherrn an.
Er hatte nun die Erkenntnis gewonnen, daß er auf eine Verbesserung
seiner Tage durch Acciaiuolo nicht rechnen dürfe und begab sich
wieder in seine Heimat.
Trotz dieser Enttäuschungen zog ihn die Erinnerung an seine
Jugendzeit nochmals nach dem Süden. Im Herbst 1370 reiste der
Dichter zum letztenmal nach Neapel und verblieb dort bis zum
Frühjahr 1371. Damals wurden ihm verschiedene Ämter, die ihm
eine Altersversorgung sichern sollten, in Aussicht gestellt. Boccaccio
schenkte aber den neapolitanischen Versprechungen anscheinend
keinen Glauben mehr, und zwar mit Recht: Der Abt von Monte-
falcone hatte dem Dichter zugeredet, ihn nach dem Kloster San
Stefano in Kalabrien zu begleiten; Boccaccio war einverstanden, da
er fast entschlossen war, sein Leben dort als Kartäusermönch zu
beschließen; aber nun dachte der Abt gar nicht daran, sein Ver-
sprechen in die Tat umzusetzen, denn er verließ eines Tags Neapel
in aller Stille und ließ nichts mehr von sich hören.
Nach dieser letzten Enttäuschung kehrte Boccaccio nach seinem
 
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